EZB hat nun Ankauf von Firmenanleihen gestartet
Über den neuen Schritt, der auch als "Verzweiflungsakt" gebrandmarkt wird, werden weiter Risiken auf die Steuerzahler verschoben
Mit immer mehr Geld flutet die Europäische Zentralbank die Geldmärkte. Doch da sich eine Inflation weiter nicht einstellen will, werden die Maßnahmen immer abenteuerlicher. Obwohl Treibstoffe durch den steigenden Ölpreis zuletzt wieder deutlich teurer wurden, ist die Inflationsrate im Euroraum weiter negativ und Deflationstendenzen halten an. Eurostat hat kürzlich geschätzt, dass die Inflationsrate von -0.2% nun auf -0,1% gestiegen sein soll. An die Zielmarke im Bereich von +2% nähert sich die EZB weiterhin nur kaum an.
Dabei wurden Leitzinsen schon auf null gesenkt, Negativzinsen eingeführt und ausgeweitet. Nachdem Staatsanleihen im großen Umfang aufgekauft wurden, wurden die Notenpressen beschleunigt und das Programm zwischenzeitlich auf monatlich 80 Milliarden Euro ausgeweitet. Seit gestern werden auch noch Unternehmensanleihen aufgekauft. "Das wird auf die Finanzierungsbedingungen der Realwirtschaft durchschlagen und diese weiter verbessern", hatte der EZB-Chef Mario Draghi diesen Schritt begründet. Ob damit nun Inflation geschaffen wird, bleibt zu bezweifeln. Vielmehr zeigt sich, dass die EZB unter Draghi weiter Konjunkturpolitik macht und sich nun auch noch die Finanzierung von Großunternehmen sorgt, statt sich um ihr zentrales Ziel der Geldwertstabilität zu kümmern.
Die Kritik am Ankauf von Firmenanleihen ist zum Teil heftig. Allgemein wird bemängelt, dass damit der Markt verzerrt werde. Denn in diesem Fall macht die EZB sogar etwas, was sie bei Staaten nicht macht. Sie kauft Anleihen von Firmen direkt an und kann sogar bis zu 70% der ausgegebenen Firmenanleihen aufkaufen. Somit, so meinen Experten, werden den Steuerzahlern noch stärker Risiken aufgebürdet. Und klar ist auch, dass sie nur Anleihen von großen Unternehmen kauft. Kleine und mittlere Firmen sind von dieser günstigen Finanzierung ausgeschlossen, was ebenfalls deutliche Nebenwirkungen hat, da der Mittelstand benachteiligt wird. Insgesamt werden die Renditen von Großunternehmen gesenkt, dafür hatte schon die Ankündigung gesorgt.
Leef H. Dierks, Professor für Finanzierung und Internationale Kapitalmärkte an der Fachhochschule Lübeck, befürchtet, dass "dieser Markt zunehmend austrocknen wird" und die Liquidität zurückgeht. Da die Renditen für diese Anleihen als Resultat der EZB-Politik ebenfalls zum Teil schon negativ sind, wird also den Unternehmen praktisch Geld geschenkt – nun also von der EZB. "Die Folgen sind: Die Unternehmen können sich Geld nun billiger leihen, weil es diesen großen Käufer gibt. Und dann könnten die Unternehmen das Geld nutzen, um Aktien zurückzukaufen. Das Programm verzerrt also die Kapitalstruktur der Unternehmen in erheblichem Maße."
Geldpolitik der EZB verspielt das Vertrauen
Clemens Fuest, Präsident des deutschen Ifo-Instituts, meint ebenfalls, dass durch den Ankauf auf dem Primärmarkt das Risiko weiter steigt, dass Verluste über die EZB vergemeinschaftet werden. Eine Beschränkung über den Sekundärmarkt – durch das Dazwischenschalten von Geschäftsbanken – wäre wenigstens ein schwacher Schutz. Das sei "immerhin ein Signal dafür, dass das Kaufprogramm nicht dazu da ist, Risiken aus faulen Unternehmenskrediten zu vergemeinschaften."
Im Deutschlandfunk-Interview erklärte er, dass vor allem große Unternehmen in Krisenstaaten ihre faulen Kredite "durch Anleihen ersetzen, um sie direkt an die EZB verkaufen zu können". Damit könne im großen Umfang umverteilt werden und Unternehmen könnten sich darüber sanieren. Statt die Gläubiger haften zu lassen, würden die Steuerzahler in der Eurozone herangezogen. Die EZB könne die Risiken überhaupt nicht einschätzen, "dafür ist sie gar nicht ausgerichtet". Da Kontrollfunktionen ausfallen, führe das zu vermehrten Fehlinvestitionen und dazu, "dass vielleicht die Fundamente für die nächste Krise schon gelegt werden".
Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank nennt das Vorgehen der EZB sogar einen "Akt der Verzweiflung". Auch David Folkerts-Landau meint, dass die große Notenbank auf einem kleinen Markt den Preismechanismus zerstöre. Er fordert insgesamt eine Umkehr, da die Geldpolitik der EZB sie ihren Zielen nicht näher bringe, wie die letzten Jahre gezeigt hätten. Zudem werde mit dieser Geldpolitik das Vertrauen verspielt. "Politik kann nur funktionieren, wenn die Menschen ihr vertrauen." In Notenbanken folge man aber einem Dogma, dass die schwache Nachfrage die Ursache allen Übels sei und für die geringe Inflation sorge. Daraus leiteten sie einen Fehlschritt nach dem anderen ab.