Elsevier-Abtrünnige gründen neues Open-Access-Journal
Die Redaktion und Herausgeber des Wissenschaftsjournals Lingua legen wegen der hohen Bezugspreise ihre Arbeit nieder.
Als Grund geben Redaktion und Herausgeber die unakzeptabel hohen Bezugspreise an, die der Lingua auflegende Verlag Elsevier veranschlagt, an sowie dessen Weigerung, Lingua als Open-Access-Zeitschrift zu führen.
Da Elsevier die Rechte am Namen der Zeitschrift hält, wird Lingua beim niederländischen Verlagshaus weiterbestehen – allerdings mit noch zu rekrutierender Besetzung. Die Lingua-Deserteure hingegen planen ein konkurrierendes Open-Access-Journal namens Glossa zu gründen. Glossa bedeutet in Altgriechisch wie Neugriechisch "Zunge" oder "Sprache" - ebenso wie lingua im Lateinischen und Italienischen, der Verlust der Namensrechte dürfte so augenzwinkernd kompensiert sein.
Nicht zum ersten Mal weigern sich Wissenschaftler herausgeberisch für das Verlagshaus tätig zu sein: Bereits 2006 trennten sich die Verantwortlichen des Elsevier-Journals Topology vom Verlag – ebenfalls unter Verweis auf inakzeptabel hohe Preise. Das Board gründete das Journal of Topology, welches zwar nicht im Open Access publiziert wird, aber dennoch zu günstigeren Konditionen als das Elsevier-Produkt zu beziehen ist. Während Topology Stand heute nicht in der Datenbank Journal Citation Reports indiziert ist, mittels derer der zwar umstrittene, aber von Wissenschaftlern oft vereinfacht als Qualitätsindikator interpretierte Journal Impact Factor berechnet wird, wird das Journal of Topology dort durchaus nachgewiesen.
Das niederländische Verlagshaus steht traditionell wegen seiner aggressiven Preispolitik, die ihm 2014 einen Gewinn von 762 Millionen britischen Pfund bescherte, in der Kritik: Seit 2012 rufen die Mathematiker Timothy Gowers, 1998 Gewinner der Fields-Medaille, des Nobelpreis-Pendants in der Mathematik, und Tyler Neylon auf thecostofknowledge.com zu einem Boykott des Verlags auf: Unterzeichnende Wissenschaftler geloben, bei Elsevier keine Artikel einzureichen oder sie zu begutachten respektive als Herausgeber für den Verlag tätig zu sein.
Auch die öffentliche Hand ist offensichtlich nicht mehr in gleichem Maße wie früher geneigt, Elseviers Preisvorgaben zu folgen: 2014 brach die Universitätsbibliothek Konstanz die Verhandlungen mit dem Verlag ab, 2015 tat es ihr die Universitätsbibliothek Leipzig gleich. Für Aufsehen sorgte 2014 auch das Scheitern der Konsortialverhandlungen des Verlags im eigenen Land, den Niederlanden: Die Vereinigung niederländischer Universitäten (Vereniging van Universiteiten, VSNU) nannte für das Platzen der Verhandlungen sehr ähnliche Gründe wie die Lingua-Verantwortlichen für ihre Weigerung weiterhin für den Verlag editorisch zu arbeiten:
"It is now clear that the negotiations with Elsevier have reached an impasse. During several round of talks, no offer was made which would have led to a real, and much-needed, transition to open access. Moreover, Elsevier has failed to deliver an offer that would keep the rising costs of library subscriptions at acceptable levels."