Energiekosten: Industrie erheblich entlastet

Ein neuer Energiepreisindex für die Industrie setzt Energiekosten und Produktion ins Verhältnis und veranschaulicht, wie sehr die Energiekosten in den letzten Jahren gesunken sind

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Die Preise für Strom und Brennstoffe sind ein ständiges Streitthema, wenn es um den Umbau der Energieversorgung geht. Besonders aus der Industrie kommen immer wieder Klagen, dass für Energie zu viel ausgegeben werden müsse und die hohen Kosten den "Standort Deutschland" gefährden würden.

Dabei werden mitunter auch gerne die Verbraucher vorgeschoben, was allerdings ausgesprochen unredlich ist. Denn diese bezahlen nicht nur höhere Abgaben und Steuern auf Strom und Kraftstoffe, sie können sich auch nicht zu den günstigeren Großhandelspreisen eindecken. Der Vergleich hinkt also erheblich, aber die Preisgestaltung, Ausnahmen und Privilegien sind ein gewaltiger Dschungel, in dem es schwer ist, einen Überblick über die tatsächlichen Kosten und die Stichhaltigkeit der Klagen zu gewinnen.

Ein wenig Abhilfe verschafft ein industrieller Energiekostenindex, den das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das Ökoinstitut im Auftrag der European Climate Foundation (ECF) erstellt haben und der am heutigen Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Dieser setzt sowohl für die Industrie als Ganzes als auch für verschiedene Sektoren mit niedrigem, mittlerem und hohem Energieaufwand die Ausgaben für die verschiedenen Energieträger in Relation zu Produktion und Wertschöpfung.

Zunächst ist auffällig, dass die deutsche Industrie als Ganzes derzeit monatlich 320 Millionen oder rund 11 Prozent weniger für Energie aufwenden muss als noch vor sechs Jahren. Im Durchschnitt der letzten sechs Monate lagen die monatlichen Energiekosten der hiesigen Industrie bei 2,72 Milliarden Euro.

Angesichts des Preisverfalls des Rohöls, der auch den Gaspreis mit in den Keller gezogen hat, ist der starke Rückgang nicht weiter verwunderlich. Weniger bekannt ist meist, dass auch der Großhandelspreis für Strom und Kohle erheblich nachgegeben hat. Seit Mitte 2015 haben sich die Preise auf niedrigem Niveau stabilisiert und stagnieren seitdem mehr oder weniger.

"Der neue Indikator schließt eine große Lücke in der offiziellen Statistik", meint Thomas Fricke von der ECF. Zwar gebe es eine große Anzahl Indikatoren für einzelne Energieträger, etwa aktuelle Börsennotierungen für Strom, Gas und Kohle. Gefehlt habe aber ein übergreifender Indikator, der den industriellen Verbrauch sämtlicher Energieträger (Strom, Gas, Öl, Kohle, Biomasse und sonstige Energieträger) erfasse.

(Bild: DIW, Öko-Institut)


"Der Indikator ermöglicht auch, die tatsächliche Belastung der Industrie mit Abgaben, Steuern und Umlagen zu berücksichtigen", so Felix Matthes vom Öko-Institut. Kompensationsmaßnahmen, mit denen der Gesetzgeber die Energierechnung für die Industrie reduziert, würden ebenfalls einbezogen.

Beachtlich ist der Rückgang der Ausgaben für Energie auch im Hinblick auf die Ausweitung der Produktion um neun Prozent, die es im gleichen Zeitraum gegeben hat. Rechnet man also die Energiekosten auf den Produktionswert um, so ergibt sich ein Rückgang von 21 Prozent. Am stärksten hat dazu übrigens die Entwicklung der Gas- und Ölpreise beigetragen. Da viele Unternehmen langfristige Lieferverträge für Strom haben, spiegelt sich die Entwicklung an der Leipziger Strombörse nur verzögert wider und spielt erst in jüngerer Zeit eine Rolle.

Entwicklung des Energiepreisindexes für die energieintensive Industrie. Der Index berücksichtigt auch die Produktion, bildet also sozusagen die Entwicklung der Energie-Stückkosten ab. (Bild: DIE,Öko-Institut)

In den besonders energieintensiven Betrieben sollte man die Verbilligung des Stroms allerdings schon gespürt haben. Dort sind die monatlichen Stromkosten seit Anfang 2010 um ein rundes Drittel zurückgegangen, wie man der ersten Grafik entnehmen kann, die aus der oben verlinkten Erläuterung des neuen Indexes entnommen ist. Die zweite Grafik veranschaulicht, wie stark der Energiepreisindex, der die Kosten in Relation zur Produktion setzt, in der energieintensiven Industrie zurückgegangen ist.

An diese Grafik sollte man sich erinnern, wenn Industrievertreter demnächst mal wieder über vermeintlich zu hohe Stromkosten jammern oder gegen Energiewende und Abschaltung der AKW polemisieren.