Erstes bundesweites Servicenetz für Elektroautos
Die Elektromobilität kommt langsam ins Rollen
Im Hamburger Stadtverkehr werden bisher 350 Elektrofahrzeuge im öffentlichen Nahverkehr und in Hamburger Wirtschaftsunternehmen erprobt. Doch Privatkunden können bisher kein Elektrofahrzeug kaufen. Das Problem ist die Wartung. Die Hamburger Firmenkooperation, der Elektroautohersteller Karabag und die Firma Still, Marktführer bei Elektrostaplern in Europa, bietet deshalb ab sofort Elektroautos für den Privatkunden zum Kauf und ein bundesweites Netz von rund 800 Reparaturwerkstätten an.
Die Ära der E-Mobilität scheint angebrochen zu sein. 2009 gab die Bundesregierung mit dem Nationalen Entwicklungsprogramm Elektromobilität das Startzeichen und forcierte im Dialog mit der Industrie den Einstieg in die neue Antriebstechnik. Ihr Ziel: Bis 2020 sollen 1 Millionen Elektrofahrzeuge im Bundesgebiet fahren. Der Hamburger Senat beschloss im Herbst 2011 10,4 Millionen Euro Fördergelder für die lokale Elektromobilität.
In Hamburg werden derzeit 350 Elektroautos im Gewerbebereich erprobt, deutschlandweit sind rund 80 000 Elektrofahrzeuge auf den Straßen unterwegs. Doch das Hauptproblem ist und bleibt immer noch die Wartung. Da kaum eine Werkstatt in Deutschland zu finden ist, die Mitarbeiter mit einer Hochvoltausbildung beschäftigt, ist das Fahren eines Elektroautos nicht nur mit technischen Risiken, sondern auch mit hohem Aufwand verbunden: Bei Pannen muss das Auto entweder zurück in das Werk oder in eine kostenintensive Spezialwerkstatt gebracht werden. Die Folgen für den Kunden: hohe Kosten, lange Wartezeiten und kein Auto als Ersatz.
Erstes bundesweites Servicenetz für Elektromobilität
"Ab heute gibt es ein bundesweites Servicenetz zur Wartung von Elektroautos mit 800 Werkstätten von Hamburg bis München. Dieses habe ich hiermit freigeschaltet", erklärt der Vorsitzende der Geschäftsführung der Still-Gruppe Bert-Jan-Knoet bei der Pressekonferenz im Hamburger Still-Werk.
Angeboten wird das Reparaturwerkstättennetz von dem Unternehmen Still, das in 70 Ländern vertreten ist und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg bereits erste Elektrofahrzeuge baute. Das Unternehmen Still nimmt am Förderprogramm der Bundesregierung im Rahmen der vom Senat initiierten Modellregion Hamburg teil. "1920 haben wir die Generatoren in den Krankenhäusern installiert und repariert. Von 1950 bis 1952 bauten wir im Zuge der Verteuerung der Benzinpreise die ersten elektrischen Gabelstapler. Damals gab es aber keinen Umwelt-, sondern einen Preisanreiz für Nutzung der neuen Antriebstechnik", so Bert-Jan-Knoet.
Wirtschaft und Ökologie sollen künftig Hand in Hand gehen. Karabag und Still sind die ersten Unternehmen am Markt, die sowohl ein Elektroauto für Privatkunden zum Kauf anbieten und dieses auch im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Sachmangelhaftung bundesweit warten können.
Führende Autohersteller sind noch in der Forschung
Die großen Autohersteller BMW und Mercedes geben sich mit dem Start des Elektroautos für Privatkunden noch bis einem Jahr Zeit. "Bei uns ist der vollelektrische BMW Active E derzeit noch nicht zu kaufen. Es gibt bisher eine Testflotte von 1000 Fahrzeugen, wovon 700 in den USA getestet werden. Wir kommen in 1,5 Jahren, bis 2013 damit auf den Markt", erklärt Cypselus von Frankenberg, Pressesprecher für Produktkommunikation BMWi und Mini, in München. BMW testet derzeit noch das Kundenverhalten im Umgang mit dem Elektroauto.
Auch der Mercedes-Benz Vertrieb Deutschland weist darauf hin, dass sowohl ihre elektrisch betriebenen Mercedes-Benz als auch ihre smart- Modelle zurzeit im Rahmen eines Mietmodells erhältlich sind. Mit diesem Mietmodell ist auch ein komplettes Serviceangebot verbunden. Es wird außerdem den smart electric drive ab diesem Jahr auch zu kaufen geben. Daimler bietet für seine Elektro-Fahrzeuge bereits ein flächendeckendes Reparaturwerkstättennetz an.
Das neue Autogesicht
Unternehmersgründer der Karabag GMBH ist Sirri Karabag, der seit vier Jahren in der E-Mobilität forscht. Begonnen hatte er vor 20 Jahren mit dem Import von Fiat-Fahrzeugen, die jedoch vor Ort nicht repariert werden konnten. Deshalb setzte er in die Wartung der Fahrzeuge auf technische Eigenkompetenz und stieg gleichzeitig in die Elektromobilität mit ein.
Seit 2009 bietet er Elektrofahrzeuge der Firma Micro-Vett aus Modena in Italien an und zwei Jahre später, 2011 baute er die ersten Elektrofahrzeuge. Dabei entkernt er Fiat-Karosserien und baut Elektromotoren ein. Die Karosserie bekommt dann ein neues Gesicht: ohne Motor, ohne Auspuff. Nach außen hin stellt es ein ökologisch lupenreines CO2-freies Gefährt dar, allerdings mit einem kleinen Haken: Beheizt wird es mit dem umstrittenen Bio-Ethanol, Biokraftstoff, der häufig in Dritt-Welt-Regionen anstelle von Weizen angebaut wird.
Unter der einstigen Motorhaube steuert nun eine Multibox, die von der Kion-Gruppe geliefert wird, die ganze Elektronik. Auf dem Tacho ist nicht mehr die Benzin-, sondern die Batterieanzeige zu sehen. Gefahren wird mit einer 125 Volt-Spannungs-Batterie. Der zweite kleine Haken: das Auto ist wegen der Batterie fast dreimal so teuer wie im Grundkaufpreis. Zudem ist die Batterie kälteempfindlich und hat eine eingeschränkte Reichweite von nur 150 Kilometern, bis sie wieder aufgeladen werden muss.