Frankreich: Wütende Arbeiter zertrümmern Werkstor und Präfektur
Wegen Werksschließung: Nach einem Gerichtsurteil eskaliert der Streit zwischen Arbeitnehmern und dem Reifenhersteller Continental
Sehr wütend reagierten gestern zwei bis dreihundert Angestellte von Continental France auf ein Gerichtsurteil des Tribunal de Grande Instance in der französischen Grenzstadt Sarreguemines (Departement Mosel, 17 km von Saarbrücken entfernt): Sie demolierten Räume eines Verwaltungsgebäudes, der sous-préfecture in Compiègne, das zum Departement Oise im Norden Frankreichs gehört. In diesem Departement befindet sich ein Betrieb des Reifenherstellers, nämlich in Clairoix, es soll bis 2010 geschlossen werden.
Die Eingangsschranke und Portiershäuschen des Werks in Clairoix wurden gestern abend von Arbeitern ebenfalls zerstört; die Werksführung gab heute bekannt, dass man für heute aus "Sicherheitsgründen" die Produktion einstelle und die Fabrik geschlossen bleibe. Laut Arbeitern, die von der Tageszeitung Libération zitiert werden, wurden dort ohnehin seit 11. März kaum mehr Reifen produziert - nur mehr "symbolische" 1000 Reifen am Tag (im letzten Jahr waren es noch 27.000 täglich).
Am 11. März gab die Unternehmensleitung bekannt, dass das Werk bis nächstes Jahr geschlossen werden würde, auf dem Spiel stehen 1.120 Arbeitsplätze. Die Gewerkschaften und der Gesamtbetriebsrat sind der Auffassung, dass sie zu plötzlich von diesem Schritt in Kenntnis gesetzt wurden, ohne ausreichende Konsultationen, wie sie das französische Gesetz vorsieht, weswegen man den Streit mit der Continental-Führung vor Gericht brachte. Besonders entrüstet waren die Arbeitnehmer auch, weil die Continental-Geschäftsführung den Arbeitern noch 2007 zugesichert habe, das Werk nicht vor 2012 zu schließen. Jetzt würden "diese Gauner" wortbrüchig, wird ein Vertreter der Continental-Beschäftigten, Ralph Blindauer, vom Manager-Magazin zitiert. Nach dessen Informationen hielt auch Präsident Sarkozy das Vorgehen von Continental als nicht gesetzeskonform. Das Gericht in Sarreguemines sah die Sache allerdings anders; die Klage wurde gestern abgewiesen.
Während sich die Führung von Continental, das seinen Hauptsitz in Hannover hat, zufrieden über das Urteil äußert - "Wir nehmen diese richterliche Entscheidung als Anlass, um noch einmal mit Nachdruck zu versichern, dass die Continental AG stets alle bestehenden rechtlichen Vorgaben beachtet und einhält" - und betont, dass man "alle betroffenen Mitarbeiter so umfassend wie möglich unterstützen" wolle, beklagt sich ein Gewerkschaftler gegenüber der französischen Tageszeitung Le Monde über mangelnde Unterstützung durch die Regierung: "Man hält uns für Idioten." Fünf Wochen lang habe man versucht, einen Termin mit Wirtschaftsministerin Christine Lagarde zu bekommen, vergebens. Nach dem Urteil von Sarreguemines seien die Nerven durchgegangen. Innenministerin Michèle Alliot-Marie verurteilte die "Ausschreitungen gegen öffentliche Gebäude und Einrichtungen".
Doch scheint die Regierung nun doch auf die Forderungen der Continentalmitarbeiter zu reagieren. Laut Zeitungsbericht schlug ein Regierungsvertreter nun Gespräche mit drei Parteien vor - unter Teilnahme der Regierung.