Ganz Portugal empört über Atommülllager in Spanien
Dass an der Grenze beim Atomkraftwerk Almaraz nun auch Atommüll gelagert werden soll, heizt den Unmut und die Proteste gegen das unsichere AKW an
Es kommt sehr selten vor, dass sich im portugiesischen Parlament alle Parteien, von ganz links bis ganz rechts, einig sind. Doch die Entscheidung der konservativen spanischen Regierung auf der Kabinettssitzung am Freitag, am grenznahen Atomkraftwerk Almaraz auch noch ein Zwischenlager – genannt "Temporäres Individualisiertes Lager" (ATI) - für Atommüll einzurichten, treibt die Portugiesen vereint auf die Barrikaden. Es war die grüne Partei "Os Verdes", die in Koalition mit den Kommunisten (CDU) bei Wahlen antritt, die den Antrag ins Parlament eingebracht hatte, um gegen die Entscheidung zu protestieren.
Also stimmten auch die beiden konservativen Parteien, Schwesterparteien der in Spanien regierenden Volkspartei (PP), gegen das spanische Vorhaben und unterstützen die Linie der Regierung. Die zog sofort Konsequenzen und sagte ein geplantes Treffen des portugiesischen Umweltministers João Pedro Matos mit seiner spanischen Kollegin ab. Spanien "ignoriert" den Nachbarn, heißt es in dem Antrag. "Es verletzt das europäische Recht und das Loyalitätsprinzip unter Nachbarn", hat der Umweltminister erklärt. Portugal hat eine Klage bei der EU-Kommission gegen das ATI angekündigt, weil die grenzüberschreitenden Auswirkungen hinweg nicht bewertet und Portugal nicht einmal gehört wurde.
Seit vielen Jahren gibt es wegen Almaraz Streit zwischen Portugal und Spanien. Der wurde vor einem Jahr angeheizt, als fünf spanische Inspektoren der Sicherheitsbehörde über schwere Notkühlprobleme des veralteten Atomkraftwerks informierten, das seit 1981 in Betrieb ist, also seit fast 36 Jahren. In Portugal befürchtet man einen Unfall wie in Fukushima, weil eine ausfallende Notkühlung die Kernschmelze nicht verhindert. Die austretende Radioaktivität würde über den Tajo-Fluss und per Wind ins Nachbarland transportiert. Der Fluss, dessen Wasser zur Kühlung benutzt wird, mündet ausgerechnet in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon in den Atlantik.
Das Problem ist, dass alle fünf Notkühlpumpen ein Problem haben, das spätestens seit September 2015 bekannt ist, weshalb Portugal die Abschaltung der beiden Meiler fordert. Ein wichtiges Teil an den Pumpen ist schadhaft, was zum Ausfall führen kann. Der Austausch einer der schadhaften Motoren im Herbst 2015 brachte keine Besserung. Auch der neue versagte schnell den Dienst. Und schon bei diesem Störfall gelangte radioaktives Wasser in den Tajo.
Eigentlich müsste Almaraz, mit dessen Bau noch in der Franco-Diktatur 1972 begonnen wurde, längst abgeschaltet sein. Doch gegen ihr Versprechen, aus der Atomkraft aussteigen, knickte die sozialdemokratische Regierung 2009 vor der Atomlobby ein. In der Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero wurde sogar eine Höchstlaufzeit aus dem Atomgesetz gestrichen. Den rechten Nachfolgern unter dem konservativen Mariano Rajoy wurde damit sogar ermöglicht, diese altersschwachen Meiler bis zum St. Nimmerleinstag am Netz zu halten, obwohl sogar die Beschäftigten der Atomaufsicht an der "Sicherheit" der Atomanlagen zweifeln und für eine "Sicherheitskultur" demonstrierten.
Genau darauf, die Atommeiler nicht wie geplant und Portugal versprochen 2020 abzuschalten, zielt nun der Bau des ATI ab, was die Portugiesen besonders erzürnt. Da Spanien mit seinem zentralen Atomlager in Villar de Cañas nicht weiterkommt, das längst fertiggestellt sein sollte, aber zur Zeit blockiert ist, sollen nun die abgebrannte Brennstäbe an den Atomkraftwerken gelagert werden, um die Meiler weiterbetreiben zu können. Wollten die konservativen Atomfreunde am Fahrplan bis 2020 festhalten, wäre das ATI in Almaraz sinnlos. Die Rajoy-Regierung drängt sogar die Betreiber des ältesten Kraftwerks im nordspanischen Santa María de Garoña, den mit den Fukushima-Reaktoren baugleichen Meiler wieder in Betrieb zu nehmen, der seit vier Jahren abgeschaltet ist.