Hambacher Forst: Tausende bei Waldspaziergang
Im rheinischen Braunkohlerevier wird nunmehr am fünften Tag ein Wald mit gigantischem Polizeiaufwand und nicht wenig Gewalt geräumt, um die Besetzer vor einer vermeintlichen Brandgefahr zu schützen
Der umfangreiche Polizeieinsatz im Hambacher Forst zur Räumung der dortigen Baumhäuser hält, wie bereits gestern berichtet, weiter an. Am Sonntag waren 9.000 Menschen aus dem benachbarten Buir zum Wald gezogen.
Dort wurden unter anderem zwischen Waldrand und Tagebau Bäume gepflanzt. Ein Teil der Demonstranten schlich sich an den zahlreichen Polizeibeamten vorbei in den Wald, um dort verschiedene Sitzblockaden zu bilden.
Die Waldbesetzer sprechen in ihrem Ticker von wahllosen Festnahmen und einer bis in die Dunkelheit hinein andauernden Belagerung des Wiesencamps am Rande des Waldes. Dieses befindet sich übrigens auf einem Privatgrundstück und wurde im Einverständnis mit dem Besitzer errichtet.
Für Montagvormittag haben die Besetzer eine Pressekonferenz im Wald angekündigt. Auf Twitter gibt es bei @anettselle diverse Videos von den Aktionen der Demonstranten und dem Vorgehen der Polizei.
Kritik aus den Reihen der Polizei
Auch aus deren Reihen wird der seit Donnerstag anhaltende massive Einsatz inzwischen kritisiert. Er sei einer der größten und teuersten in der Geschichte Nordrhein-Westfalens, heißt es beim Bund Deutscher Kriminalbeamter.
Während in Berlin noch über den Ausstieg aus der Kohle verhandelt werde, stelle die Bauministerin des Landes plötzlich fest, dass der Brandschutz der Baumhäuser nicht gewährleistet sei. Damit stelle sie sich gegen die Rechtsauffassung der zuständigen Kommunen und revidierte eine Wertung des eigenen Ministeriums aus dem Jahre 2014.
"Hier werden die Kollegen regelrecht verheizt und zwar sowohl die uniformierten als auch die Kolleginnen und Kollegen der Kriminalpolizei, die zum Beispiel in Gefangenensammelstellen eingesetzt werden oder durch Ermittlungen gebunden sind. Wer glaubt, das Problem Hambacher Forst könnte isoliert betrachtet werden, der irrt. Die Polizeibeamten und Kriminalbeamten fehlen bei der Bewältigung ihrer Alltagsaufgaben. So können Präsenzkonzepte in den Städten nicht in dem erforderlichen Umfang durchgeführt werden. Die Fallzahlen in den Innenstädten steigen schon wieder an. Der Einsatz im Hambacher Forst hat insofern unmittelbare negative Auswirkung auf die Sicherheit in den Städten und Gemeinden. Im Ergebnis schützen wir nun den Braunkohleabbau von RWE statt unsere Bevölkerung."
Helmut Adam, stellvertretender Landesvorsitzender NRW des Bund Deutscher Kriminalbeamter
Keine Kostentransparenz
Derweil fordert die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Umweltbundesamtes Astrid Matthey gegenüber der Deutschen Welle mehr Transparenz bei den Kosten der Kohleverstromung. Die Gesundheits- und Umweltschäden spiegeln sich in den Bilanzen der Bergbaukonzerne und in den Stromkosten nicht wieder, sondern werden von der Allgemeinheit getragen. "Bisher geht (die Transparenz) aus unserer Sicht vor allem unter, weil die Umweltkosten von fossilen Energieträgern nur unzureichend auf den Kontoauszügen von Unternehmen und Bürgern erscheinen."
Zu den Kosten gehören neben den Gesundheitsfolgen des Schadstoffausstoßes – unter anderem geht es um Feinstäube, Arsen, Quecksilber, Blei, Cadmium und Stickoxide – auch die Auswirkungen des Klimawandels, zudem die Braunkohle wegen ihres geringen Brennwertes und daher besonders hohen CO2-Emissionen pro erzeugter Kilowattstunde beiträgt.
Die Klimafolgen manifestieren sich unter anderem in erhöhten Kosten für den Küstenschutz, Landverlust an den Küsten, Ernteausfällen, neuen, aus wärmeren Gebieten einwandernden Krankheiten, wachsende internationale Spannungen aufgrund vom Missernten und eine künftig zunehmende Zahl von Klimaflüchtlingen.
Zu den Folgekosten des Bergbaus gehören aber auch Schäden an Häusern und Infrastruktur, Belastung des Oberflächenwassers durch Gesundheitsschädliche Substanzen, die durch den Tagebau freigesetzt werden – etwa Sulfat und Eisenhydroxid.
Außerdem wurde für die Tagebaue der Grundwasserspiegel erheblich gesenkt. Einige Gebiete in der Nachbarschaft der Gruben haben sich dadurch um mehrere Meter abgesenkt, wobei nicht selten Gebäudeschäden entstanden.
Die betroffenen Dörfer und Ackerflächen würden zu Seen und Sümpfen, würde man nach dem Ende des Tagebaus der Natur einfach ihren Lauf lassen. Also wird dort, wie auch im Ruhrgebiet, weiter in großen Mengen Wasser abgepumpt werden, und zwar auch dann noch, wenn RWE oder die LEAG in Ostdeutschland längst nicht mehr existieren.