In den Kommunalwahlen strafen die Briten die Regierungskoalition ab

Die Konservativen verlieren, Labour gewinnt, aber was heißt dies schon bei einer Wahlbeteiligung von 32 Prozent?

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In Großbritannien wurden vor allem die Konservativen bei den Kommunalwahlen kräftig abgestraft. Zwar hat Labour die Briten in die Finanzkrise getrieben, die Konservativen konnten sich aber in der Koalition mit den schwachen Liberaldemokraten durchsetzen und ein rigides Sparprogramm durchsetzen, das den Finanzsektor und die Vermögenden weitgehend schont. Die von den Konservativen ausgerufene neoliberale Parole vom schlanken Staat und der "großen Gesellschaft" (Big Society) hat der Wirtschaft keinen Kick gegeben, sondern fördert nur den Sozialabbau und die Arbeitslosigkeit.

Ausgerechnet in der Krise kürzten die Konservativen gegen die Kritik der Liberaldemokraten, die mit den deutschen Liberalen wenig gemeinsam haben, den Höchststeuersatz von 50 Prozent auf 45 Prozent, während andere Steuern erhöht wurden. Das ist ein Signal, das die Wähler gehört haben und daher mangels Alternativen wieder in Scharen zur Labour-Partei übergelaufen sind. Großbritannien ist wie die USA gefangen im Spiel der beiden großen Parteien, die sich nur an der Regierung abwechseln. Es fehlen Alternativen, die eine Veränderung durch neue Mehrheitsverhältnisse und Koalitionen erzwingen könnten.

Durch die Koalition mit den Konservativen und die zahlreich eingegangenen Kompromisse haben sich die Liberaldemokraten auch beschädigt und verloren entsprechend an Stimmen. Gut möglich, dass sie nicht mehr als unabhängige Partei wahrgenommen werden, die neuen Wind in die politische Landschaft bringen kann, wie dies noch bei der letzten Wahl der Fall gewesen ist. Das würde das Parteienspektrum noch weiter verengen. Natürlich kommen aus der konservativen Ecke nun Forderungen nach einer noch stärker rechten Politik und nach einer Abkehr von liberalen Reformvorhaben wie beispielsweise der Homo-Ehe.

Würde man die Ergebnisse der Kommunalwahlen auf Parlamentswahlen umsetzen, dann hätte Labour dank des Mehrheitswahlrechts, das auch ein Zwei-Parteien-System begünstigt, mit einer guten Mehrheit gewonnen. Nach vorläufigen Hochrechnungen kommt Labor auf 38 Prozent, die Konservativen liegen bei 31 und die Liberaldemokraten bei 16 Prozent. Einzig in London konnten die Konservativen einen Erfolg verbuchen. Der amtierende Bürgermeister Boris Johnson, ein schriller Vogel, hat knapp vor Ken Livingstone von der Labour-Partei, der bereits vor Johnson Bürgermeister war und ebenfalls sehr eigene Ansichten hat, erneut die Wahl gewonnen.

Die Kommunalwahlen zeigen zwar im Ergebnis die Stimmung im Lande an, allerdings lag die Wahlbeteiligung nur bei 32 Prozent. Und wenn nur ein Drittel der Bürger zur Wahl geht, so ist dies auch eine Demonstration, entweder völlig gleichgültig zu sein und alles zu akzeptieren oder keine Alternative zu sehen. Letzteres wäre hoch gefährlich, zumal wenn es im politischen System keine wirkliche Möglichkeit für eine Protestwahl gibt. Und wenn nur ein Drittel der Bürger, in manchen Kommunen deutlich weniger, zur Wahl geht, dann sind im Grunde die Gewählten keine Repräsentanten der Mehrheit des Volkes.