Kaczynski erfindet sich neu
Nach dem Flugzeugabsturz steigen die Wahlchancen für Kaczynski, der plötzlich für bessere Beziehungen mit Russland eintritt
Als das polnische Meinungsforschungsinstitut Homo Homini am 14. April die erste Meinungsumfrage nach dem Flugzeugabsturz von Smolensk durchführte, sah es für Jaroslaw Kaczynski nicht besonders gut aus. Gerade mal 3.4 Prozent der Befragten gaben damals an, bei den Präsidentschaftswahlen für den Zwillingsbruder des verunglückten Präsidenten stimmen zu wollen. Ein Ergebnis, mit dem es der Vorsitzende der nationalkonservativen Recht und Gerechtigkeit ( PiS) nicht einmal in die Stichwahl geschafft hätte. In dieser wären Sejmmarschall und Interimspräsident Bronislaw Komorowski sowie Wlodzimierz Cimoszewicz gegen einander angetreten. 46 Prozent der Befragten gaben in dieser Umfrage jedoch an, sich noch für keinen Kandidaten entschieden zu haben.
Wie schnelllebig die polnische Politik seit der Katastrophe von Smolensk ist, zeigt sich in den aktuellen Wahlprognosen. In einer von der Tageszeitung Gazeta Wyborcza in Auftrag gegebenen Umfrage, die am Montag veröffentlich wurde, sprachen sich 50 Prozent der Befragten für Bronislaw Komorowski aus, den Kandidaten der rechtsliberalen Bürgerplattform ( PO) von Premierminister Donald Tusk. Jaroslaw Kaczynski würde zwar nur 31 Prozent der Stimmen erhalten, doch zufrieden kann er dennoch sein. Vor zwei Wochen waren es für Jaroslaw Kaczynski noch vier Prozentpunkte weniger, für Komorowski dagegen zwei Prozentpunkte mehr.
Mit noch mehr Enthusiasmus dürfte Jaroslaw Kaczynski am Montag eine andere Wahlvorhersage zur Kenntnis genommen haben. In einer Meinungsumfrage des Fernsehsenders TVN24, erhielt Bronislaw Komorowski mit 45 Prozentpunkten zwar die meisten Stimmen, doch der PiS-Vorsitzende Kaczynski konnte innerhalb einer Woche seinen Wähleranteil von 30 auf 34 Prozent erhöhen, während sein schärfster Widersacher bei 45 Prozent blieb.
Und auch wenn die Umfragen Kaczynski eine Niederlage bei der Stichwahl vorhersagen, kann der ehemalige Regierungschef mit der momentanen Entwicklung mehr als zufrieden sein. Auch in allen anderen Umfragen holt er zu seinem Konkurrenten auf, bei der für die Fernsehsendung Teraz My (http://wiadomosci.onet.pl/2167713,448,teraz_my_komorowski_25_proc_j_kaczynski_24_proc,item.html) mit 24 Prozent sogar bis auf einen Punkt zu Komorowski. "Man sieht, dass die Chancen von Jaroslaw Kaczynski größer werden, da er zweifellos auch von der Stimmung profitiert, die durch die Katastrophe, die Trauer und das Mitgefühl hervorgerufen wurde", kommentierte am Montag Bronislaw Komorowski die guten Umfragewerte seines Widersachers.
Die Erklärung ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn Komorowski müsste sich auch eingestehen, dass er sich in dem Wahlkampf, so wie auch seine Partei, schwer tut. Aus dem Herausforderer, der bis zum Unglück von Smolensk als der große Favorit galt, wurde plötzlich der Interimspräsident, dessen Schritte unter besonderer Beobachtung stehen. Mit dem Ergebnis, dass er bisher in dem Wahlkampf nur durch Passivität aufgefallen ist.
Ganz anders dagegen Jaroslaw Kaczynski und seine PiS. Deutlich wurde es schon bei der Sammlung von Unterschriften, die die Wahlkomitees zur Registrierung ihrer Kandidaten bei der Zentralen Wahlbehörde bis zum 6. Mai vorlegen mussten. Sie tat es nicht nur übers Internet oder auf der Straße, sondern dank dem Einverständnis einiger Bischöfe, die in den letzten Wochen aus ihren politischen Sympathien keinen Hehl machten, auch vor den Kirchen. Wenn es Pfarrer gab, die sich gegen die Unterschriftensammlung auf ihrem Pfarreigelände aussprachen, wurden die Geistlichen in manchen Fällen von den PiS-Leuten ignoriert.
Noch offensiver als auf der Straße, geht die PiS in ihrem Wahlkampf im Parlament vor. Und hier versucht die Partei vor allem durch die schleppenden Untersuchungen des Unglücks von Smolensk zu profitieren. Höhepunkt dieser Politik ist ein Brief der PiS-Fraktion, in dem sie Premierminister Tusk 20 Fragen zum Verlauf der Ermittlungen stellt. Das führte dazu, dass gestern die Angehörigen der Opfer von Smolensk an die Parteien und Medien appellierten, das Unglück nicht zu einem Wahlkampfthema zu machen.
Einen großen Anteil an den besseren Umfragewerten Kaczynskis haben auch PR-Experten. Wie die Tageszeitung Rzeczpospolita am Dienstag berichtete, engagierte die Partei für den Wahlkampf die PR-Agentur Studio PR, die dem Schauspieler Bogdan Szczesiak gehört. Eine der ersten Maßnahmen der PR-Experten war ein neues Outfit für die engsten Mitarbeiter Kaczynskis. Und auch am neuen Image des Kandidaten wird heftig gearbeitet. Während seine Partei sich aufgrund des Unglücks antirussischer Ressentiments bedient, stellt sich Kaczynski neuerdings als Freund des russischen Volkes dar. Ausgerechnet am 9. Mai wandte sich Kaczynski per Videobotschaft an das russische Volk, bei dem er sich für die Anteilnahme bedankte und von zukünftigen besseren bilateralen Beziehungen sprach.