Libysche Sicherheitskräfte töteten angeblich 84 Protestierende
Seit Samstag soll in dem nordafrikanischen Land auch der Zugang zum Internet massiv erschwert worden sein
Wer einem Blick in das vom Telepolis-Autor Hans Schmid übersetzte Muammar-al-Gaddafi-Buch "Vision" wirft, der gewinnt nicht unbedingt den Eindruck, dass der libysche "Revolutionsführer" ein sehr sympathischer Zeitgenosse ist. Die Meldungen, die Human Rights Watch unter Berufung auf Augenzeugen derzeit zu den Ereignissen in Libyen verschickt, scheinen dies zu bestätigen: Danach gab es seit Beginn der Massenproteste am Dienstag mindestens 84 Tote, die meisten davon in Bengasi, der Hauptstadt des östlichen Landesteils, der Cyrenaica. Allerdings soll es auch in einigen Vierteln der Hauptstadt Tripolis und in deren Vorstadt Dschansur Auseinandersetzungen gegeben haben.
Dass die historisch eher mit Ägypten verbundene Cyrenaica offensichtlich das Zentrum der libyschen Proteste ist, deutet darauf hin, dass diese eine stärker von regionalen Identitätsunterschieden geprägte Komponente ausweisen könnten als ihre Vorläufer in Tunesien und Ägypten. Libyen wurde erst 1934 von Benito Mussolini aus den beiden Regionen Tripolitanien und Bengasi gegründet. Der derzeitige Staatschef Gaddafi stammt aus der Nähe der tripolitanischen Stadt Surt. Er kündigte an, in Tripolis selbst Demonstrationszüge anführen zu wollen, mit denen er offenbar Unzufriedenheit kanalisieren will. Um ihren Gegnern die Koordination von Demonstrationen zu erschweren, soll die libysche Staatsführung mehreren Medienberichten zufolge seit letzter Nacht den Zugang zum Internet massiv erschwert haben.
Auch im Inselkönigreich Bahrain halten die Proteste gegen die Staatsführung an: Hier werden sie von Schiiten getragen, die das sunnitische Königshaus stürzen wollen. Ein von König Hamad bin Isa al-Chalifa am Freitagabend ausgesprochenes Gesprächsangebot wurde von Ibrahim Mattar, dem Führer der schiitische Wefaq-Partei, mit Verweis darauf abgelehnt, dass erst die Soldaten aus den Straßen abgezogen werden müssten.