Lizenz zum Töten neu ausgestellt
Laut US-Justizminister Eric Holder befinden sich die USA weiterhin im Krieg, was gezielte Tötungen auch von US-Bürgern, wie im Fall Anwar Awlaki, legitimiert
Wer hätte das vor vier Jahren gedacht? Der damalige Präsidentschaftskandidaten warb mit der Hoffnung auf ein besseres Amerika als unter George W. Bush, dessen Regierung mit der Verfassung und der Rechtsstaatlichkeit umging wie ein Schulhofschläger mit den Schwächeren in der großen Pause, wenn der Lehrer wegsieht. Obama versprach die Schließung Guantanamos und gelobte: "Wir werden der Welt wieder ein Beispiel dafür geben, dass das Gesetz nicht den Willfährigkeiten von starrköpfigen Regierenden unterworfen ist und dass die Gerechtigkeit nicht willkürlich ist."
Nun, 2012, bekräftigte der von Obama eingesetzte Justizminister Eric Holder eine Ermächtigung ganz aus dem Geist von GWOT-Bush: Die gezielte Tötung von Terroristen, die vom US-Präsidenten angeordnet wird, sei verfassungskonform, erklärte Holder gestern einem Publikum von 800 Jura-Professoren und - Studenten. In seiner Begründung, auf welche die Fachwelt schon länger gewartet hatte, nannte Holder eine Prämisse, die sich nicht unbedingt einer nüchternen faktischen Lagebeurteilung erschließt, sondern einen bestimmten politischen Willen braucht, um als Wirklichkeit anerkannt zu werden:
"We are a nation at war. And, in this war, we face a nimble and determined enemy that cannot be underestimated."
Ist der Krieg endlos? Holders Begründung stützt sich letztlich einmal auf das Gesetz, das der Kongress nach den 9/11 Anschlägen verabschiedet hat, das den Präsident dazu ermächtigt, "alle notwendige und angemessene Gewalt gegen die Täter und ihre Helfer einzusetzen" - und zum anderen auf die Macht des Präsidenten, die "Nation gegen jede Bedrohung unmittelbar drohende Gefahr eines gewaltsamen Angriffs zu schützen".
Wann ist dieser Krieg zu Ende? Wovon hängt das ab? Von der Anzahl der Drohungen seitens al-Qaida?
Der Kriegszustand rechtfertigt jedenfalls die Mittel. Die Mittel der konventionellen Justiz, Urteile von Militär- und Zivilgerichten, würden laut Holder in einem solchen Kriegszustand nicht ausreichen. Zwar sei es vorzuziehen - falls überhaupt machbar -, "verdächtige Terroristen" gefangen zu nehmen. Aber man müsse auch anerkennen, dass es Umstände gebe, "wo unsere Regierung die eindeutige Macht hat - und wie ich (Holder, Anm. d.A) argumentieren würde, die Verantwortung –, die USA durch den angemessenen und gesetzesgemäßen Gebrauch von tödlicher Gewalt."
Dies meint Holder stehe in Übereinstimmungmit der Verfassung und mit internationalen Gesetzen, selbst wenn man sich nicht in einem "konventionellen Krieg" befinde:
"The Constitution empowers the President to protect the nation from any imminent threat of violent attack. And international law recognizes the inherent right of national self-defense. None of this is changed by the fact that we are not in a conventional war."
Schließlich, so fährt Holder fort, sei es demzufolge auch unangebracht von "Morden" zu sprechen:
"Some have called such operations 'assassinations.' They are not, and the use of that loaded term is misplaced. Assassinations are unlawful killings. Here, for the reasons I have given, the U.S. government’s use of lethal force in self defense against a leader of al Qaeda or an associated force who presents an imminent threat of violent attack would not be unlawful — and therefore would not violate the Executive Order banning assassination or criminal statutes."
Das hätte auch ein Justizminister unter Bush nicht trefflicher machen können: eine Tötungsaktion, die nicht vor Gerichten verhandelt werden muss, die nicht auf einem Kriegsschlachtfeld stattfinden muss, sondern überall sttafinden kann, zu jeder Zeit, ohne Gerichtsurteil, aufgrund von Verdächtigungen, deren Überprüfung allein der Regierung anheimfällt.