Madrider Hobel und ein Sprachenstreit

Die Krise in Spanien spitzt sich zu. Die Katalanen machen deutlich, dass die eigene Sprache für sie eine "rote Linie" darstellt

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Die Katalanen, an der Spitze die konservative regierende Konvergenz und Einheit (CiU), wollen ihre Sprache verteidigen. Nun hat der katalanische Regierungschef eine Warnung an die spanische Volkspartei (PP) gerichtet. Demnach brauche der Oppositionsführer Mariano Rajoy nicht auf die wichtige Unterstützung der CiU nach den vorgezogenen Neuwahlen im November zu hoffen, wenn auch er versuche, in Katalonien die katalanische Sprache zurückzudrängen. Artur Mas erklärte:

"Ich weiß nicht, was die Richter tun, aber ich warne, dass die rote Linie der Sprache nicht überschritten wird."

Das war nun also die offizielle Antwort der Regierung auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofs Kataloniens (TSJC). Denn das Gericht hatte auf Antrag der PP in Katalonien ultimativ entschieden, dass an den Schulen wieder zweisprachig unterrichtet werden müsse. Das Gericht hat der "Generalitat" zwei Monate Zeit eingeräumt, das Urteil umzusetzen und Spanisch wieder gleichberechtigt zum Katalanisch zu unterrichten.

Delikate Lage vor den Neuwahlen

Praktisch ist dieses Urteil in der Eile nach Schulbeginn ohnehin kaum umzusetzen, weil das gesamte System umgestellt werden müsste. Schon deshalb hat Artur Mas eine Revision gegen das Urteil angekündigt. Es besteht zudem noch die Möglichkeit, vor höchste spanische Gerichte zu ziehen - bis zum Verfassungsgericht. Und das hat die katalanische Regierung inzwischen angekündigt, die danach auch noch vor den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg ziehen könnte.

Die Lage wird aber ausgerechnet für den PP-Oppositionsführer nun aber vor den Wahlen delikat. Denn der hofft, im dritten Anlauf nun endlich Ministerpräsident zu werden. Er muss jetzt vor dem 20. November seine Position definieren. Die Angriffe auf die katalanische Sprache werden der PP in Katalonien weitere Stimmen kosten, die dort ohnehin im vergangenen Regionalwahlen nur auf 12,3% der Stimmen kam. Da unwahrscheinlich ist, dass die PP bei den Wahlen eine absolute Mehrheit erhält, wäre sie in Madrid auf Stimmen der CiU angewiesen. Wie dies schon von 1996 bis 2000 der Fall war.

"Warum also müssen sie uns mit dem Katalanisch auf den Füßen herumtanzen"

Wenn Rajoy aus Madrid versuchten sollte, gegen das Modell der "linguistischen Vertiefung" zu regieren, gäbe es "kaum noch etwas zu tun", warnte Mas. "Mit der Sprache wird nicht gespielt." Das Modell, mit dem Katalanisch in der Region gefördert wird, werde verteidigt, so seine Ankündigung.

"Niemand tanzt den Deutschen mit der deutschen Sprache auf den Füßen herum, weder den Franzosen mit Französisch, noch den Spaniern mit dem Kastellan. Warum also müssen sie uns mit dem Katalanisch auf den Füßen herumtanzen."

Mit dem Hinweis, dass man schon ganz andere Zeiten überstanden habe, erinnerte er daran, dass die Sprache in der Diktatur verboten war. Die vier Jahrzehnte, in der Katalanisch nicht gesprochen werden durfte, haben erst dazu geführt, dass die Sprache nun speziell gefördert werden muss.

50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit

Mas forderte die PP auf, die von Manuel Fraga Iribarne gegründet wurde, der Minister in der Franco Diktatur war, in ihrem Feldzug einen "Schritt zurück zu gehen". Es sei unsinnig jetzt diesen Streit aufleben zu lassen. Es gäbe gravierendere Probleme. Damit sprach er die Arbeitslosigkeit an, die in Spanien eine Rekordquote von mehr als 21% erreicht hat. Zudem sind inzwischen fast 50% der jungen Menschen ohne Job.

Sparpropgramme in der Krise und Unabhängigkeitsbewegung

Mas weiß, dass er über fast alle Parteigrenzen in Katalonien hinweg auf Zustimmung trifft. Schließlich wurde schon mit dem neuen Autonomiestatut versucht, dieses Modell abzusichern, dass Spanisch (Kastellan) in katalonischen Schulen wie eine Fremdsprache behandelt. Dieses Statut hatte im Parlament eine Mehrheit von 90%. erhalten. Doch dann fielen auf dem parlamentarischen Weg das eigene Finanzierungsmodell, die Absicherung der Sprache und andere wichtige Punkte dem Madrider Hobel zum Opfer.

Deshalb ist Katalonien weiter völlig unterfinanziert. Vor einem Jahr erklärte das Verfassungsgericht weitere Teile des Statuts für verfassungswidrig. Und dagegen gingen in der katalanischen Metropole Barcelona eine Million Menschen auf die Straße. Das Streben nach Unabhängigkeit hat dort seither deutlich an Gewicht gewonnen. Die fatale Madrider Krisenpolitik in einem abstürzenden Spanien befördert den Prozess zudem. Die Angriffe auf das Katalanisch wird die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien weiter wachsen lassen.

Kosten und Kalküle

Für die PP dürfte sich als der juristische Sieg in einem Pyrrhussieg verwandeln. Die von der Krise schwer gebeutelten Familien würden sich freuen, für Hunderte Euro alle Bücher neu kaufen zu müssen, wenn das Urteil umgesetzt würde. Hohe Kosten kämen auch auf die katalanische Regierung zu, die heftig sparen soll, damit das hohe spanische Haushaltsdefizit sinken kann, wie es von der EU gefordert wird, und schon Gesundheitsstationen schließen muss.

Unterstützt die Madrider Zentrale nun den erratischen Kurs der katalanischen PP, wird das Rajoy Stimmen bei den Wahlen kosten, weshalb er sogar in Madrid noch stärker auf die CiU angewiesen wäre. Doch dieser Weg würde die Zusammenarbeit mit der CiU unmöglich machen, auch wenn Rajoy mit diesem Kurs in Zentralspanien Stimmen gewinnen könnte.

Dass die PP eine absolute Mehrheit erreichen kann, das glaubt auch er nicht. Die Regional- und Kommunalwahlen im Mai haben gezeigt, dass sich die PP von diesem Traum verabschieden muss. Sie wäre erneut auf die starke CiU von Mas angewiesen, um überhaupt regieren zu können.

Dazu kommt aber, dass in anderen Regionen umgekehrt die Umsetzung dieser Gleichstellung gefordert werden kann. Also in Galizien die galizische Sprache endlich der spanischen gleichgestellt wird, wie in Navarra Baskisch. In beiden Regionen werden die Minderheitensprachen stark marginalisiert. Das würde der PP aber wiederum gar nicht gefallen.