Mir wird das nie passieren, ich bin etwas Besonderes
Das Verhalten der Bundesregierung, wenn es um die Enthüllungen rund um die Spionage- und Abhörarbeit der USA geht, erinnert an Opfer von andauernder Gewalt innerhalb von Beziehungen.
In Filmen oder der Literatur ist es ein beliebtes Motiv: Ein Täter, gleichgültig ob nun der Körperverletzung, des Betruges, der sexuellen oder psychischen Gewalt schuldig, wird durch die aufopfungsvolle Liebe eines Menschen auf den "richtigen Pfad" zurückgebracht, von dem er einst abwich. Das Wort "Aufopferung" ist hierbei wichtig, da der Täter ja nicht über Nacht vom Wolf zum Lämmchen wird, sondern es der Mühe und der Bereitschaft zum Leid bedarf, letztendlich den "Gewinn" einzustreichen. Je nach Dramaturgie ist der Weg zum Guten gezeichnet von Vorfällen, die darstellen, wie schmerzhaft dieser Weg für die "Retter" ist, wobei deren Geduld und Leidensfähigkeit schier unendlich zu sein scheint.
In vielen Beziehungen, die von diesem Muster geprägt sind, ist kaum anzunehmen, dass der "Gewinn" jemals in greifbare Nähe rückt - doch dies zuzugeben würde für den "Retter" bedeuten, eine Ent-Täuschung im wahrsten Sinne des Wortes einzugestehen; das Ende einer Täuschung. In diesem Fall ist es eine Selbsttäuschung, die es unmöglich macht, an das Wort "Ende" auch nur zu denken. da dies mit dem eigenen Versagen verbunden ist. Schließlich wird das eigene Selbstwertgefühl an die erfolgreiche Veränderung des anderen geknüpft.
Daher hat der Täter in solchen Beziehungen auch die praktische Möglichkeit, nicht einmal selbst nach Ent-Schuldigungen suchen zu müssen, diese werden vielmehr vom Opfer selbst gefunden. Einfach gesagt: schlägt der andere, dann konnte er nicht anders, war im Stress, wurde provoziert durch Unachtsamkeit oder "Fehlverhalten", befand sich unter Druck; betrügt er, so wurde ihm noch nicht genug Liebe entgegengebracht, er nicht genug unterstützt ... Das Opfer sucht insofern die Schuld bei sich und spricht den anderen von Verantwortung frei. Alles andere wäre, so absurd es klingt, zu schmerzhaft, dnicht nur das Bild, das das Opfer von sich selbst hat, sondern auch jenes, das es gegenüber anderen gezeichnet hat, sich als Trugbild entlarven würde.
Das Verhalten der bundesdeutschen Politiker, welche in den "Oberen Rängen" sitzen, erinnert an eben jenes Verhalten. Wie Felix von Leitner treffend schreibt, sehen nicht nur Deutschland, sondern auch viele andere Länder ihre Beziehung zu den USA als "special relationship" an - als etwas Herausragendes, weshalb natürlich das Verhalten der USA gegenüber dem eigenen Land auch nie so wäre wie gegenüber den "anderen".
Wenn Hans-Peter Uhl beispielsweise im Interview sagt, dass die USA eben noch lernen müsse, wie Datenschutz funktioniert, dann ist dies die politische Version der Entschuldigung für einen notorischen Täter dafür, dass er erneut übergriffig geworden ist. Der andere muss ja noch dazulernen, man muss mit ihm im Dialog bleiben, muss Geduld haben und Verständnis.
Die als "Entschuldigung" gehandelte Erklärung des ehemaligen NSA-Chefs Hayden, welche lediglich das Bedauern darüber ausdrückte, dass "ein Freund nun schlecht aussehe", schlägt in die gleiche Kerbe. Deutschland habe eben ein anderes Datenschutzbewusstsein, das Problem wird insofern auf reine Befindlichkeiten heruntergehandelt und gleichzeitig darauf verwiesen, dass es keinerlei Absprachen geben wird, um derlei Taten zu vermeiden, doch würde man diese einfach besser vertuschen.
Zynisch ausgedrückt ist dies die "Entschuldigung" eines übergriffigen Partners, der feststellt, dass er leider durch Schläge ins Gesicht seinen Übergriff zu deutlich kennzeichnete und damit den Partner als Opfer offenbarte. Das nächste Mal wird dann wieder in den Magen geschlagen, so dass niemand abseits der Partner etwas merkt.
"Ich glaube, wir waren alle zusammen in der Vergangenheit zu naiv im Umgang mit dem Thema. Es hieß immer, das sind unsere Verbündeten, die tun so was nicht" sagt Hans-Peter Uhl im Interview - und auch die Erklärungen Angela Merkels sind von den Worten "Verbündete" und "Partner" durchdrungen, als gelte es, sich immer wieder selbst einzureden, dass sich hier tatsächlich zwei Länder auf Augenhöhe gegenüberstehen bzw. Partnerschaften bestehen, die von beiden Seiten Respekt und Vertrauen bedeuten.
Wenn der Bundespräsident nun markig feststellt "Jetzt reicht's auch einmal", wenn es um den Verdacht geht, ein BND-Mitarbeiter habe für die NSA spioniert, dann klingt dies wie die stete Wiederholung eines Opfers, das doch nur darauf wartet, dass es entweder selbst eine Entschuldigung für das Verhalten des Täters findet oder aber ihm eine geliefert wird, egal wie glaubhaft diese nun wirken mag.
"Aber das wird doch nie wieder passieren, das wurde mir versprochen" - eine gerne ausgesprochene Floskel, die mantraartig wiederholt wird, um krampfhaft an der eigenen Überzeugung festzuhalten, dass tatsächlich auf der eigenen Seite Macht vorhanden ist. Während solche Versprechungen in von Gewalt geprägten Beziehungen an der Tagesordnung sind, bekommt die Bundesregierung seitens der USA nicht einmal das – ein Antispionageabkommen, so wurde bereits vor einiger Zeit deutlich, werde es nie geben. Nicht einmal diese Fassade halten die USA aufrecht.