Mit Hitler gegen Abtreibung
Polnische Abtreibungsgegner setzen für ihre Ziele drastische Mittel ein, obgleich es in Polen sowieso eines der strengsten Abtreibungsgesetze gibt
Es ist ein erbitterter Kampf, den polnische Abtreibungsgegner von der Fundacja Pro seit Jahren führen. Demonstrationen vor Krankenhäusern und Arztpraxen, die im Verdacht stehen, illegale Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, gehören dabei ebenso zu ihrem Protestprogramm wie Ausstellungen mit Fotos von abgetriebenen Föten.
Vielen Polen und den Behörden stört dieser Kampf seit Jahren. Schon mehrmals mussten sich die Abtreibungsgegner vor Gericht verantworten, weil sie ihre Ausstellungen auf öffentlichen Plätzen veranstalteten und somit auch Kinder den abstoßenden Fotos ausgesetzt haben. Doch von den bisherigen fünf Gerichtsverfahren endeten alle mit einem Freispruch.
Ohne Konsequenzen dürfte auch die neueste Anti-Abtreibungskampagne im westpolnischen Posen bleiben, die demnächst auch in anderen Städten präsentiert werden soll, obwohl diese einen bisher nicht gekannten Aufschrei der Empörung auslöste. Als unverschämt, pervers, abartig und krank, kritisierten Posener Bürger die Aktion in den Medien. Darunter auch solche, die sich selber als Abtreibungsgegner bezeichnen.
Der Grund für diesen Volkszorn ist ein überdimensionales Plakat, das Fundacja Pro vergangene Woche an einer der verkehrsreichsten Straßen der Stadt befestigte. Neben den obligatorischen Fotos von abgetriebenen Föten ist das Konterfei von Adolf Hitler zu sehen, daneben die Überschrift: "Abtreibung für Polinnen. Eingeführt am 9. März 1943."
"Am 9. März legalisierte Hitler die Abtreibung. Da sich das Datum nähert, wollten wir an dieses Ereignis erinnern", rechtfertigte sich Mariusz Dzierzawski, Vorsitzender der Abtreibungsinitiative, in der polnischen Presse. Die Erklärung stimmt historisch. Am 9. März legalisierte Hitler tatsächlich die Abtreibung, und dies nicht nur im besetzten Polen, sondern auch in den okkupierten Sowjetgebieten. Dass es Fundacja Pro aber nicht allein um die Erinnerung an das historische Datum geht, machte Dzierzawski auch deutlich. "Am 8. März, dem internationalen Frauentag, werden Feministinnenverbände für die Liberalisierung des Abtreibungsrechts demonstrieren. Und wir wollen ihnen zeigen, was sie eigentlich anstreben."
Diese Erklärung ist innerhalb der polnischen Frauenbewegung zu Recht auf viel Kritik gestoßen. "Diese Kampagne verursacht Hass", kritisierten polnische Frauenverbände und bekamen dabei überraschenderweise Unterstützung aus den Reihen der katholischen Kirche. "So eine Thematisierung des Problems verursacht eher Hass und Gewalt", erklärte der Geistliche Adam Boniecki, Redakteur der katholischen Wochenzeitung Tygodnik Powszechny.
Doch so wie Adam Boniecki denken nicht alle seine Glaubensbrüder. Alicja Tysiac, die 2003 den polnischen Staat vor dem Europäischen Gerichtshof auf Schmerzensgeld verklagte, weil ihr eine Abtreibung verweigert wurde und sie dadurch fast ihr Augenlicht verlor, wurde von dem katholischen Magazin Gosc Niedzielny im vergangenen Jahr mit Hitler verglichen. Die erfolgreiche Klage von Tysiac, die ein Schmerzensgeld sowie eine Gegendarstellung von dem katholischen Wochenmagazin forderte, bezeichnet der Chefradakteur des Gosc Niedzielny, der Priester Marek Gancarczyk, bis heute als ungerecht, obwohl ein Kattowitzer Gericht erst am 5. März das Urteil bestätigte.
So ist es nicht verwunderlich, dass fast alle diesjährigen Demonstrationen zum Internationalen Frauentag von Abtreibungsgegnern und der rechtsgerichteten Allpolnischen Jugend Hand in Hand gestört wurden. Mit Plakaten, auf denen Feministinnen mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt wurden.
Polen hat seit 1993 neben Irland die strengsten Abtreibungsgesetze in Europa. Nur bei einem Gesundheitsrisiko für die Frau, einer schwerwiegenden Behinderung des Kindes oder wenn die Schwangerschaft das Ergebnis einer Vergewaltigung ist, darf eine Abtreibung vorgenommen werden. Mit dem Ergebnis, dass im vergangenen Jahr 400 legale Schwangerschaftsabbrüche registriert wurden. Die Dunkelziffer bei illegalen Abtreibungen ist jedoch deutlich höher. Laut polnischen Frauenrechtsorganisationen soll diese zwischen 80.000 und 200.000 liegen.