Moslembrüder halten neuen ägyptischen Präsidenten für Juden und Teil einer großen Verschwörung

Mindestens 30 Tote bei Straßenschlachten in Kairo, Alexandria, Suez und anderen Städten

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Im NS-Propagandafilm Der ewige Jude, greift der Sprecher den damaligen US-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt mit der Behauptung an, er wäre Jude und heiße in Wirklichkeit Rosenfeld. Ähnlich gehen jetzt angeblich Teile der ägyptischen Moslembrüder vor, deren enger Verbündeter Mohammed Mursi diese Woche sein Amt als ägyptischer Präsident verlor:

Der gemeinhin zuverlässigen israelischen Tageszeitung Haaretz und der Washington Post zufolge erschien auf Ikhwan Online, der Website der Moslembruderschaft, ein mittlerweile wieder gelöschter Text, in dem behauptet wird, dass Mursis von der ägyptischen Armee ernannter Interimsnachfolger Adly Mansour Jude ist und einer internationalen Verschwörung angehört, an der auch die USA und Israel beteiligt sind.

Ein Hinweis darauf, dass die Behauptungen in dem Artikel – vorsichtig formuliert - wenig fundiert sein könnten, ergibt sich unter anderem daraus, dass er die protestantische Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, denen Mansour angehören soll, als jüdische Sekte wertet. Ähnlich bizarr wirkt die Ergänzung, der neue Präsident habe vorher Kopte werden wollen, sei aber vom Papst dieser Glaubensgemeinschaft abgewiesen worden. Ziel der Verschwörung ist es dem Pamphlet zufolge, mittels einer vom Militär gefälschten Wahl den Friedensnobelpreisträger und ehemaligen Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) Mohammed el-Baradei als ägyptischen Präsidenten zu installieren. Der habe sich in den Augen der Verschwörer qualifiziert, als er sich weigerte, an einer Konferenz teilzunehmen, auf der der Holocaust angezweifelt wurde.

Inwieweit der am Donnerstag veröffentlichte Artikel dazu beitrug, dass Anhänger der Moslembrüder trotz der wirtschaftspolitisch verheerenden Bilanz Muris in großer Zahl auf die Straße gingen und sich gewalttätige Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften und politischen Gegnern lieferten, ist offen. Fest steht, dass am gestrigen "Freitag des Zorns" in Kairo, Alexandria, Suez und mehreren anderen Städten mindestens 30 Menschen ums Leben kamen. Mehr als 1000 trugen teilweise schwere Verletzungen davon. Ebenfalls gestern Nacht wurde Khairat al-Shater verhaftet, der als informeller Anführer der Moslembrüder gilt. Ihm wird nach Angaben des Innenministeriumssprechers Hani Abdel-Latif Anstiftung zur Gewalt vorgeworfen.