Nordkorea: Kim allein zu Haus?
Pjöngjang schlägt scharfen Ton gegen Beijing an, was ein Zeichen für die wachsende Isolation des nordkoreanischen Regimes sein dürfte
Aus Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang ist ungewohnte Kritik an der chinesischen Regierung zu vernehmen, die auf den Gemütszustand der dortigen politischen Führung schließen lässt. Beijing solle nicht die Geduld Nordkoreas strapazieren, hat nach einem Bericht der Korea Times ein Kommentator der staatlichen Nachrichtenagentur des Nordens geschrieben. Da dort die Medien einer strengen Zensur unterlegen, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um eine bewusst gesetzte Botschaft handelt.
China, so der von der südkoreanischen Zeitung zitierte Kommentar weiter, habe eine rote Linie überschritten und die Freundschaft zwischen den beiden Ländern beschädigt. Chinesische Bemerkungen über das nordkoreanische Atomprogramm, das auf die Herstellung von Nuklearsprengköpfen und Langstreckenraketen zielt, seien "rücksichtslos" gewesen. Bei anderer Gelegenheit soll ein hoher nordkoreanischer Funktionär, so berichtet die gleiche Zeitung, China in einer internen Veranstaltung als "Verräter" bezeichnet haben.
Auch wenn insbesondere letztere Information kaum überprüfbar ist, so ist doch deutlich, dass es zwischen den langjährigen Verbündeten eine erhebliche Entfremdung gibt. Offensichtlichstes Anzeichen dafür ist die Tatsache, dass es noch keine offizielle Begegnung zwischen Chinas Präsidenten und KP-Vorsitzenden Xi Jinping, seit Anfang 2013 im Amt, und der nordkoreanischen Nummer 1. Kim Jong-un. gegeben hat, der seit 2010 regiert.
Anlass für die jüngste Verstimmung Pjöngjangs ist vermutlich die chinesische Beteiligung an den UN-Sanktionen und Äußerungen aus Beijing, der Stop des nordkoreanischen Atomprogramms habe Priorität (siehe auch Nordkorea: Hat China wirklich grünes Licht gegeben?)
Die chinesische Regierung ist offensichtlich wegen der nuklearen Aufrüstung des Nachbarn sehr besorgt. Die dadurch erzeugten Spannungen könnten die Volksrepublik in eine Auseinandersetzung mit den USA ziehen. Außerdem befürchtet man in Beijing den Zusammenbruch des nordkoreanischen Regimes, durch den eine große Flüchtlingswelle ausgelöst werden könnte.
Selbst wenn es nur zu gezielten Schlägen des US-Militärs gegen die entsprechenden Versuchs- und Produktionseinrichtungen käme, wären chinesische Interessen bedroht. Zum einen, weil die Anlagen meist in der Nähe der chinesischen Grenze liegen. Zum anderen, weil die Antwort Nordkoreas auf einen solchen Angriff schnell zu einem Krieg gegen Südkorea führen könnte.
Dort sind, meist in Stützpunkten um die Hauptstadt Seoul herum, knapp 30.000 US-Soldaten stationiert, die vermutlich zum ersten Ziel für einen nordkoreanischen Gegenschlag würden. Im Großraum Seoul leben – unweit der Grenze zum nördlichen Nachbarn und in Reichweite von dessen Artillerie – 25 Millionen Menschen, rund die Hälfte der Einwohner Südkoreas. Selbst ein begrenzter Militärschlag könnte dort schnell zu einer humanitären Katastrophe führen ( Auch ohne Atombomben ist Südkorea militärisch Geisel von Nordkorea).
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