Ölhahn zudrehen?
Sollte der Ölimport aus Russland gestoppt werden? Wie die Einfuhren mittel- und langfristig kompensiert werden könnten
Viel ist in den letzten Wochen vom russischen Gas die Rede, sehr viel weniger vom russischen Erdöl. Das ist durchaus erstaunlich, denn Russland ist für Deutschland bisher der mit Abstand größte Rohöllieferant.
Rund ein Drittel des hierzulande eingeführten Öls kommt bisher vom großen Nachbarn im Osten, der in Westeuropa mal wieder als die Inkarnation des Bösen gilt, nach dem man ihn in den letzten 200 Jahren bereits dreimal überfallen hat.
Das rechtfertigt natürlich gar nichts, aber darum soll es hier nicht gehen. Vielmehr wollen wir einen kurzen Blick auf die deutsche Kraftstoffversorgung werfen. Über das Gas haben wir bereits an anderer Stelle geschrieben.
Obwohl nun seit mehr als 40 Jahren über den Klimawandel gesprochen und seit Ende der 1980er-Jahre über seine Eingrenzung verhandelt wird, ist der deutsche Öldurst weiter unersättlich. Wie der Junkie an der Nadel, hängt die hiesige Wirtschaft weiter an den Pipelines und Ölterminals.
Schuld ist vor allem der wachsende Straßenverkehr, der in den meisten Fällen vollkommen überflüssige Transport von Gütern und Personen in Lkw und Pkw, der seit 32 Jahren einen mehr oder weniger gleichbleibend hohen Ausstoß von Treibhausgasen hervorbringt. Zuletzt machten diese rund 20 Prozent an den deutschen Emissionen aus.
Überflüssig, weil es oft für die Gesellschaft effektivere, energiesparende und klimafreundlichere Alternativen auf der Schiene gäbe. Dass diese zudem auch die Städte entlasten, die gesundheitsgefährdende Luftverschmutzung und Lärmbelästigung drastisch verringern und die Zahl der vielen Zehntausend Unfallopfer jährlich auf fast null senken würden, macht das Festhalten an dem antiquierten, viele Menschen ausgrenzenden System des Straßenverkehrs nur umso schlimmer.
Ein Drittel dieses unnützen und für die Zuschauer äußerst zweifelhaften Vergnügen ermöglichen uns also die Erdölimporte aus Russland, die wegen dessen Überfall auf die Ukraine in Verruf geraten sind. (An den – eher geringen – Öllieferungen aus Saudi-Arabien und den nicht unerheblichen von libyschen Warlords nimmt derweil kaum jemand Anstoß.)
Verkehrswende einleiten
Rufe werden laut, nicht nur die Erdgaseinfuhren, sondern auch den Ölimport aus den Tiefen Sibiriens einzustellen. Noch widersetzen sich Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Wirtschaftsminister Robert Habeck diesem diplomatischen und innenpolitischen Druck, und Thomas Fischer hat in unübertrefflicher Weise hier für uns alle und den Spiegel aufgeschrieben, weshalb sie damit recht haben.
Man könnte natürlich den Kraftstoffverbrauch entsprechend einschränken. Tempo 100 auf den Autobahnen und Tempo 80 auf den Landstraßen wäre eine Maßnahme. Sonntagsfahrverbote wie 1973 eine andere. Tempo 30 innerorts wäre für die Anwohner auch schön, würde aber vermutlich keine Einsparungen bringen.
Man könnte auch den Güterverkehr relativ zügig verstärkt auf die Schien bringen, Geld für moderne Güterbahnhöfe zur Verfügung stellen, dem öffentlichen Personennahverkehr eine massive Finanzspritze verpassen, die Flächenbahn mindestens auf das Niveau der 1960er-Jahre zurückbringen.
City-Maut Systeme könnten eingeführt, der Radverkehr endlich besser gefördert und manches mehr gemacht werden, statt dass Gesellschaft und Politik tatenlos zuschauen, wie in der Automobilindustrie und im Waggonbau Zehntausende Arbeitsplätze und damit technisches Know-how verloren gehen, das für den Umbau der Verkehrssysteme benötigt wird.
OPEC kann oder will nicht
Und wenn nicht? Wenn weiter die Verkehrswende verschleppt wird, aber dennoch auf russische Importe verzichtet und "Russland ruiniert" werden soll (Annalena Baerbock)? Welche Alternativen gäbe es eigentlich?
Das Handelsblatt berichtete letzte Woche, dass die OPEC wenig Neigung zeigt, ihre Förderung zu steigern. Wie in den Monaten zuvor mache man nur Trippelschritte.
Das könnte neben anderen auch daran liegen, dass mancher Staat gar nicht mehr liefern kann. Es mehrten sich die Zweifel an den angegebenen Reservekapazitäten. Irak und Nigeria hätten es zum Beispiel nicht geschafft, ihre Förderung, wie in den letzten Monaten zugesagt, zu erhöhen.
Wie es aussieht, ist das russische Öl im Augenblick kaum ersetzbar, selbst wenn man lieber von anderen kriegführenden Ländern wie Saudi-Arabien kaufen würde.
Es bleibt also nur, die Verkehrswende massiv zu beschleunigen. Doch das wird wenig nutzen, wenn nicht zugleich Frieden geschaffen wird, damit nicht auf die Klimakrise der nukleare Winter folgt.