Polen: Nicht unsere Mütter, nicht unsere Väter

ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter" wird als Angriff auf die "Heimatarmee" verstanden, weil diese als antisemitisch dargestellt wird

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Der Dreiteiler des ZDF Unsere Mütter, unsere Väter über den Zweiten Weltkrieg kommt in Polen ungut an. Er wird als Angriff auf die "Heimatarmee" (Armia Krajowa, kurz AK) gesehen, der größten Widerstandsgruppe gegen die deutschen Besatzer in Europa. Denn im dritten Teil der Episode wird der deutsche Jude Viktor, der sich offiziell als "Nichtjude" den polnischen Partisanen der Heimatarmee angeschlossen hat, mit deren Antisemitismus konfrontiert.

"Juden ertränken wir wie Katzen", erklärt der polnische Partisanenchef. Die Juden in den Viehwaggons auf dem Weg zu einem Vernichtungslager werden von den Partisanen, die den Zug unter ihrer Kontrolle haben, nicht befreit. Sie seien tot besser als lebendig.

Die Bildzeitung erklärt dazu ihrer Leserschaft, die AK sei nationalistisch wie antisemitisch, der Antisemitismus in Osteuropa habe den Völkermord erleichtert.

Das polnische Schwesterblatt zu Bild, "Fakt", aus dem Hause Axel Springer Polska, vermittelt hingegen den Lesern an der Weichsel ein Bild von den Tücken der deutschen Vergangenheitsbewältigung durch das ZDF – die Deutschen seien durch das Hitler-System böse geworden, da sie zum Bösen gezwungen wurden. Die Polen hingegen würden einfach (erklärungslos) als primitive Antisemiten dargestellt.

Wie in solchem Falle üblich, ist ein Protestschreiben des polnischen Botschafters Jerzy Maganski an das ZDF schon unterwegs. Polnische Partisanen hätten nie an der Ermordung von Juden teil genommen, zudem machen die Polen die größte Volksgruppe aus, die in Yad Vashem als "Gerechte unter der Völker" geehrt würden.

"Man sieht, dass den Filmautoren, die Szenen in Polen spielen lassen, das Land überhaupt nicht interessiert" urteilt Adam Krzeminski, Deutschlandexperte des Nachrichtenmagazins "Polityka".

Wollen sie einfach nur ihr Schuldgefühl verlagerrn oder leiden sie unter Amnesie, moderiert die Sprecherin des Staatsfernsehens TVP die Nachrichtensendung "Panorama" an, worauf Stimmen einiger polnischer Autoritäten sich so zusammen fassen lassen, der ZDF-Film behaupte "nicht nur wir, die anderen waren auch böse".

Dieser Vorwurf gegen Deutsschland ist nicht neu – er wurde vor allem lange gegen Erika Steinbach erhoben, die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen. Sie würde das geplante "Zentrum gegen Vertreibungen" benutzen, um die deutsche Schuld zu relativieren. Ihr prominentester Gegner war der ehemalige Widerstandskämpfer Wladyslaw Bartoszewski.

Die Aufregung erklärt sich auch dadurch, dass man in Polen generell sehr umfassend über die Berichterstattung ausländischer Medien berichtet. Aktuell wird gerade zusammengefasst, was die deutsche Presse über die polnischen Kommentare schreiben.

Das Andenken an die Heimatarmee war im sozialistischen Polen verboten, nach der Wende kam es zu einer verspäteten offiziellen Würdigung, die teils kultische Ausmaße annahm. Doch dass es in der AK Antisemitismus gegeben hatte und Juden von den polnischen Partisanen ermordet wurden, bestreiten in Polen mittlerweile nur wenige.

Im Dezember feierte der Film "die Razzia" einen großen Erfolg an der Weichsel. Er zeigte das Leben der Partisanen mit all seinen Widersprüchen und Grausamkeiten ohne Glorifizierung wie in dem einfacher gestrickten Hollywoodfilm "Defiance".