Produziert die Deutsche Telekom Triebtäter?

Olaf H., der Mörder des zehnjährigen Mirco, macht die Bedingungen an seinem Arbeitsplatz für seine Tat verantwortlich

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am Freitag gab das Polizeipräsidium Mönchengladbach auf einer Pressekonferenz bekannt, dass der 45-jährige Telekom-Angestellte Olaf H. gestand, den seit dem 3. September vermissten zehnjährigen Mirco aus Grefrath getötet zu haben. Bemerkenswert an den zum Täter bekannt gegebenen Informationen war nicht nur, dass es sich um einen bislang unauffälligen 45-jährigen Familienvater handelt, sondern auch, dass er in seinem Geständnis Probleme am Arbeitsplatz als Auslöser für seine Tat nannte.

Danach hatten dem Mann, der seit vielen Jahren bei dem Konzern arbeitete, nach eigenen Angaben eine dauernde Überforderung und eine telefonische "Faltung" durch seinen Vorgesetzten so zugesetzt, dass er zum "Druck abbauen" ziellos mit dem Auto umherfuhr, bis er schließlich seinem zufälligen Opfer begegnete. Ingo Thiel, der Leiter der Sonderkommission Mirco, sprach in diesem Zusammenhang davon, dass mit H. an diesem Abend "eine Zeitbombe unterwegs" gewesen sei und hält es offenbar für möglich, dass es tatsächlich beruflicher Stress war, der H. dazu brachte, sich in der gewaltsamen Erniedrigung eines Kindes abzureagieren.

Als wir angesichts dieser Ermittlungsergebnisse gestern via Twitter die – zugegebenermaßen provokant klingende – Frage stellten, ob die Deutsche Telekom Triebtäter produziert, kam binnen weniger Minuten eine Erwiderung des Konzerns, der Fall sei "zu traurig, um damit Telekom-Bashing zu betreiben". Eine Stellungnahme zu den Arbeitsbedingungen H.s aus Sicht seines Arbeitgebers war dagegen nicht zu bekommen.

Doch was wäre, wenn der Verweis auf die Arbeitsbedingungen keine bloße Ausrede des Täters wäre und diese dazu beitrugen, dass sich bei ihm ein 45 Jahre lang unter der Oberfläche gehaltener Drang Ausbruch verschaffte? Oder, wenn die Situation an seinem Arbeitsplatz sogar mit dafür verantwortlich war, dass sich solch ein Drang erst bilden konnte?

Dann wäre eine Tabuisierung des Sprechens über solche Arbeitsbedingungen ein Weg, der schnurstracks zum nächsten traurigen Fall beitragen würde. Und immerhin gab es in den letzten Jahren in Frankreich, China und den USA mehrere Fälle, in denen es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Arbeitserlebnisse waren, die Menschen in Massenselbstmorde und Amokläufe trieben.