Spanien: Belohnung trotz Rekord-Defizit

Brüssel fordert neben Reformen weiter einen Sparkurs, obwohl Spanien auf diesem Kurs seine Ziele eklatant verfehlt hat

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Die Spatzen hatten es längst von den Dächern gepfiffen, dass die EU-Kommission kein Sanktionsverfahren gegen Spanien einleiten würde, obwohl sie dem Land im April "exzessive Fehlentwicklungen" bescheinigte. Zwar wurden krasse Ungleichgewichte nur noch in Slowenien festgestellt, doch will Brüssel kein Defizitverfahren gegen Spanien einleiten. Dabei stieg das Haushaltsdefizit 2012 sogar auf 10,6 Prozent, womit das Land noch vor Griechenland den Defizit-Rekord hält.

Statt einer Strafzahlung in einer Höhe von bis zu einer Milliarde Euro wegen der dauernden Verfehlungen zu fordern, wird Spanien sogar dafür belohnt. Denn 2012 hat es sein Defizitziel von 6,3 Prozent sogar eklatant verfehlt, obwohl es schon in zwei Schritten schon von 4,5 Prozent angehoben worden war. Das Land soll nun weitere zwei Jahre Zeit erhalten, um es wieder unter die Stabilitätsmarke von drei Prozent zu drücken, gab Währungskommissar Olli Rehn am Mittwoch in Brüssel mit den jährlichen Empfehlungen der Kommission zur Haushaltspolitik und Reformen der Mitgliedsländer bekannt. Das Defizit darf, wenn die EU-Finanzminister die Vorschläge bestätigen, 2013 mit 6,5 Prozent sogar höher ausfallen, als für 2013 geplant war. 2014 sollen es noch 5,8 Prozent sein und erst 2016 soll die Stabilitätsmarke wieder eingehalten werden. Rehn fordert nun eine "rigorose und pünktliche" Umsetzung und neue Reformen.

Dass diese Ziele – vor allem auf dem eingeschlagenen Sparkurs - erreicht werden können, wird allseits bezweifelt. Für das laufende Jahr dürfte das schon unmöglich sein. In den ersten vier Monaten lag die Verschuldung der Zentralregierung sogar noch höher als im gleichen Zeitraum 2012, gab das Finanzministerium am Dienstag bekannt. Verantwortlich dafür sind unter anderem die um 10,6 Prozent gestiegenen Ausgaben für Zinsen der steigenden Verschuldung. Dazu kommt eine Ausgabensteigerung wegen der enormen Arbeitslosigkeit von 27 Prozent. Die Einnahmen der Sozialkassen sind dagegen deshalb eingebrochen und das galt auch für Steuereinnahmen. Bei indirekten Steuern schrumpften sie um 13,1 Prozent. Die Mehrwertsteuereinnahmen sanken um 4,7 Prozent, obwohl der Steuersatz gegen alle Wahlversprechen von der konservativen Regierung 2012 um zwei Prozentpunkte auf 21 Prozent angehoben wurde. In Spanien widerholt sich genau das, was Portugal schon vorgemacht hatte.

Die EU-Kommission prangert auch die extreme Arbeitslosigkeit an. Insbesondere bei jungen Menschen macht sich Hoffnungslosigkeit angesichts einer Quote von 56 Prozent breit. Eine Besserung ist aber nicht in Sicht. So hat am Mittwoch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre Prognose für Spanien verschlechtert. Die OECD erwartet, dass die spanische Wirtschaft 2013 um 1,7 Prozent schrumpft und im kommenden Jahr die Arbeitslosigkeit sogar auf über 28 Prozent steigt.

Zwar soll Spanien innerhalb zwei Monaten einen Plan zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorlegen, doch woher Geld dafür kommen soll, steht in den Sternen. Gefordert wird zudem eine weitere Rentenreform. Nach der Einführung der Rente mit 67 soll nun eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters kommen und sofort ein Nachhaltigkeitsfaktor angewendet werden, um die Renten langfristig zu sichern. Den hat der Nachbar Portugal gerade eingeführt, was neue Rentenkürzungen bedeutet. Damit wird der schwache Konsum in der tiefen Rezession weiter belastet.

Reformen fordert Brüssel auch bei der Mehrwertsteuer, wo vor allem reduzierte Sätze auf Produkte abgeschafft werden, womit ebenfalls der Bevölkerung Kaufkraft entzogen wird. Das hat in Portugal dazu beigetragen, dass die Konservativen das Land in die tiefste Rezession seit der Nelkenrevolution gestürzt haben. Das gilt auch für die geforderte Einführung oder der Erhöhung von Umweltsteuern und der Verteuerung von Treibstoffen. Auch in Spanien soll die Effizienz in der öffentlichen Verwaltung gesteigert werden und es soll zudem eine weitere Arbeitsmarktreform kommen, obwohl die 2012 auf Druck von Brüssel geforderte Reform,bisher eher negative Effekte gezeigt hat.

Zwischen den Zeilen wird über die erneute Anpassung der Defizitziele auch von der EU-Kommission eingeräumt, dass man auf dem strengen Sparkurs bisher wie in Griechenland oder Portugal weder das Defizit noch die überbordende Verschuldung in den Griff bekommen hat. Die Aussagen von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, wonach die Sparpolitik "ihre Grenzen erreicht" habe, spiegeln sich in den Vorgaben an Spanien nicht wieder. Konkrete Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft und der Konjunktur vermisst man bei den Vorgaben aus Brüssel. Weiter so, scheint man sich in Brüssel auf die Fahnen zu schreiben. Doch dieser Weg wird auch Spanien weiter in den Abgrund treiben, weshalb die Debatte um einen Euro-Austritt aus Portugal importiert werden wird, wo sie schon heftig tobt.