Streit in der spanischen Linken, die Rechte regiert

Nun leistet sich auch die spanische Linkspartei Podemos einen Grabenkampf, der die Formation schwächt

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Die spanischen Konservativen können bisher relaxt auf das neue Jahr blicken, obwohl sie eigentlich keinen Grund dazu haben, da es der Volkspartei (PP) im vergangenen Jahr in zwei Wahlgängen nicht einmal gelang, mit den rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger) eine Mehrheit im Parlament zu erhalten. Trotz der instabilen Regierung, zeigt sich die PP stabil, doch nach dem zweiten Wahlgang im vergangenen September brach ein "Krieg" bei den Sozialisten (PSOE) aus.

Viele waren dagegen, dass die Partei den konservativen Mariano Rajoy erneut an die Macht gebracht hat. Dafür hat die gespaltene PSOE ihren Generalsekretär Pedro Sánchez in einer Selbstmordstrategie abgesägt, der eine Linksregierung nach dem erfolgreichen portugiesischen Modell mit Podemos (Wir können es) wollte, wogegen die Parteirechte "putschte", wie viele in der PSOE meinen.

Da es aber Podemos nicht gelungen ist, der PSOE im September im zweiten Anlauf wenigstens den zweiten Rang in der Wählergunst abzulaufen, schwelte auch in der Partei der Empörten-Bewegung ein Richtungsstreit, der in den vergangenen Wochen eskaliert. Es gibt zwei Flügel, die entweder vom Generalsekretär Pablo Iglesias oder dessen Stellvertreter Íñigo Errejón geführt werden. Der Streit zwischen "Pablistas" und "Errejonistas" wird offen und mit harten Bandagen ausgetragen. Längst befürchten einige und hoffen andere darauf, dass sich die Linkspartei spaltet, hinter der gut 21% der Bevölkerung stehen.

Deshalb hat sich Iglesias – wie üblich per Twitter – an die Sympathisanten gewandt. "Entschuldigt, ich weiß, dass wir euch beschämen", sprach er von einer "Spirale der Ungeschicklichkeit", mit der die Führung die Basis enttäusche. "Wenn die Kommunikationsmedien und die sozialen Medien die Bühne bieten, wo wir versuchen, unsere schmutzige Wäsche zu waschen, werden wir Podemos zerstören."

Iglesias, der sonst meist in der ersten Person spricht, hat in diesem Fall das Wir benutzt. Eine Selbstkritik an sich und seinem Führungsstil, der wahrlich nicht frei von Arroganz und autoritären Ticks ist, blieb aus. Er räumte nur als "Fehler" ein, auch öffentlich auf Kritik "reagiert" zu haben. Ob das hilft, die Wogen zu glätten, ist unklar. Schließlich hat der Iglesias-Flügel auch den bisherign Podemos-Fraktionschef im Regionalparlament in Madrid geschasst. José Manuel López ist Errejonista und kritisierte, dass man derlei Vorgehen bisher von der PP und der PSOE kennt, man es mit "Tricks einer alten Politik" zu tun habe.

Richtungsstreit

Im Hintergrund steht aber der Richtungsstreit, wie es mit der Partei weitergeht, die sogar vor einem Jahr bei den Wahlen angetreten war, um im Alleingang die Macht zu übernehmen. In Metropolen wie Barcelona, Madrid, Santiago … war das auf lokaler Ebene im Bündnis mit anderen linken Kräften schon gelungen. Doch im breiten konservativen Land gelang das nicht. Im Gefüge der beiden "Systemparteien" blieb Podemos auf nationaler Ebene bisher praktisch einflusslos.

Auf dem Parteikongress, der "Nationale Bürgerversammlung" genannt wird, soll mit "Vistaalegre II" der Kurs festgelegt werden. Der kindlich wirkende Errejón stellt zwar die Führung von Iglesias nicht in Frage, doch der brillante Denker kritisiert dessen Kurs, die Partei klar als Linkspartei zu positionieren.

Er war auch dagegen, gemeinsam mit der kommunistisch dominierten Vereinten Linken (IU) anzutreten. Er hatte vor dem zweiten Wahlgang im September bezweifelt, dass man die Wähler beider Formationen aus den Wahlen vor einem Jahr einfach zusammenzählen könne, um den "sorpaso" zu schaffen und die PSOE zu "überflügeln". Er behielt recht. Viele angestammte IU-Wähler verweigerten dem Bündnis "Unidos Podemos" (Gemeinsam können wir es) die Stimme. In der Mitte wurden aber deshalb keine Stimmen hinzugewonnen. Um die Wahlen zu gewinnen, setzt Errejón auf "Breite".

Streit gab es vor dem Parteikongress auch, da Iglesias auf festen Wählerlisten seine Getreuen durchdrücken will. Doch viele in der Partei wollen die Führungspersonen einzeln wählen. So musste eine Mitgliederbefragung durchgeführt werden, um das Prozedere abzusegnen. Iglesias gewann nur knapp mit einem Vorsprung von zwei Prozentpunkten, was deutlich gemacht hat, wie tief die Partei gespalten ist. Und Iglesias musste dazu im Vorfeld drohen, er werde zurücktreten, wenn seine Vorstellungen nicht durchkommen.

Spaltung bei den Sozialisten

Während Podemos derzeit versucht, weiter zusammen zu bleiben, geht die Spaltung in der PSOE immer tiefer. Obwohl die Statuten vorsehen, dass eine Interimsführung sofort einen Kongress zur Neuwahl der Führung ansetzen muss, ist der auch nach Monaten weiter nicht in Sicht. Die Interimsführung ist drauf und dran ist, sogar Rajoys neuen Sparhaushalt abzusegnen. Das wird zur neuen Zerreißprobe für eine Partei, die Kritiker abstraft und marginalisiert. Inzwischen hat sich aber eine Plattform aus Basis-Führungsmitgliedern gebildet, die eine neue Kandidatur von Pedro Sánchez fordern, der durchs Land zieht um für sich zu werben.

Sie setzen darauf, ihn erneut zum Generalsekretär durch die Mitglieder wählen zu lassen, damit er dann eine Linksregierung bilden kann. Sollte sich Sánchez nicht erneut zur Wahl stellen, dann werde es zu "einer wilden Flucht der Mitglieder" aus der Partei geben, sprach Francisco Toscano sehr offen von einer Spaltung. Er ist der Sprecher der Basisinitiative und Bürgermeister der andalusischen Stadt Dos Hermanas, wo er in der Hochburg mit 130.000 Einwohnern fast mit absoluter Mehrheit regiert.