"Angesichts des Staatsstreichs der Mafia: Demokratie"

Der konservative Rajoy saß zehn Monate die spanische Krise aus und hinterlässt zerrissene Sozialdemokraten und ein polarisiertes Land

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nachdem sich die spanischen Sozialisten (PSOE) schon vor gut einer Woche mehrheitlich dafür entschieden hatten, den konservativen Mariano Rajoy erneut zum Regierungschef zu machen, gab es am Samstag keine wirkliche Überraschung bei der Regierungsbildung mehr. Die Frage war nur noch, wie viele sozialdemokratische Parlamentarier sich der Parteidoktrin verweigern und dagegen stimmen würden, dass die rechte Volkspartei (PP) weiter ihre neoliberale Austeritätspolitik auf Kosten der einfachen Bevölkerung durchziehen kann. Spanien bekommt am Montag, wenn Rajoy vom König vereidigt wird, nun nach zehn Monaten und zwei Wahlgängen eine neue alte Regierung, die nun allerdings alles andere als stabil ist.

Letztlich waren es 15 Sozialisten, die trotz massiver Sanktionsdrohungen gegen den Kurs einer Interims-Parteiführung aufbegehrt haben. Der Parteichef Pedro Sánchez war zum Rücktritt gezwungen worden, weil er versucht hatte, eine alternative Linksregierung mit Podemos (Wir können es) zu bilden, also eine Regierung ähnlich derjenigen, mit der die Sozialisten erfolgreich und stabil im Nachbarland Portugal regieren.

Eigentlich sollten alle PSOE-Abgeordneten zur Enthaltung gezwungen werden, damit ein dritter Wahlgang an Weihnachten und ein massiver Absturz der zerrissenen PSOE vermieden werden konnte. Doch ein Bild der Einheit zu vermitteln, gelang nicht. Denen, die sich ihren Wählern verpflichtet fühlten, kann nun sogar ein Ausschluss drohen. Denn in zwei Wahlgängen verweigerten sie der von massiven Korruptionsskandalen geschüttelten PP eine erneute absolute Mehrheit. Den Rechten reicht nicht einmal das Bündnis mit den rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger) zur Mehrheit, weshalb sie auf die Enthaltung der PSOE angewiesen waren.

Tausende Menschen waren dem Aufruf der Initiative "rodeo al congreso" (Parlament umzingeln) gefolgt, um ihrer Empörung über den "Verrat" der Sozialisten auszudrücken. Auf einem riesigen Transparent stand: "Angesichts des Staatsstreichs der Mafia: Demokratie." Im Aufruf schrieben verschiedene linksradikale Gruppen: "Letztlich wurde der Staatsstreich des Regimes vollzogen." Sie hatten schon im Vorfeld jede Hoffnung auf eine breite Rebellion sozialistischer Abgeordneter verworfen, der auch ausblieb.

"Es wird eine illegitime Regierung und ein illegitimes Regime geben", wurde an die Wortwahl der Empörten-Bewegung angeknüpft, die mit vielfältigen Aktionen für eine "wahre Demokratie" eingetreten ist, da die von Politikern einer "Zweiparteiendikatur" der "PPSOE" entführt worden sei. Die Bewegung entstand in PSOE-Regierungsjahren, als auch die auf den aus Brüssel geforderten strengen Sparkurs einschwenkte.

Aber letztlich war es der Sprecher der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) im Parlament, der mit seiner gewohnten unverblümten Sprache einigen PSOE-Vertretern die Wut ins Gesicht schrieb, weil sie an ihre dunkle unaufgearbeitete Geschichte nicht erinnert werden wollen. Er sagte mit Blick auf die Verbrechen der staatlichen Todesschwadrone GAL, die unter einer PSOE-Regierung in den 1980er Jahren mörderisch gegen die baskische Unabhängigkeitsbewegung vorgingen, deren Opfer auch in ungelöschtem Kalk unkenntlich gemacht wurden: "Sie sind seit 40 Jahren für ein Wechselbad aus Kalk und Sand verantwortlich, doch das heute ist nun wirklich zu viel."

Die ERC und auch christdemokratische katalanische und baskische Parteien waren bereit, eine Alternativregierung aus PSOE und Podemos an die Macht zu heben, um weitere vier Rajoy-Jahre zu verhindern, was die Parteirechte erfolgreich verhindert hat. Die PP habe "Spanien viel Schaden" zugefügt. Dabei blieben auch die katalanischen PSOE-Kandidaten, die sich nun vielleicht von der Partei abspalten oder rausgeworfen werden. Von den baskischen Sozialisten hielt nur der frühere Bürgermeister von Donostia-San Sebastian sein Wort. Anders als Odon Elorza enthielten sich gegen ihren angekündigten Willen dann doch alle anderen PSOE-Parlamentarier, um den Weg für Rajoy zu ebnen.

PSOE vor der Spaltung?

Die PSOE ist nun ganz in der Hand eines zufriedenen Rajoys, der sich sofort nach der Wahl ins Wochenende abgemeldet hat. Der offene Krieg, der längst in der PSOE tobt, wird mindestens bis zur Wahl des neuen Parteiführers anhalten. Und mindestens bis zu diesem Zeitpunkt wird sich die Partei ganz im Würgegriff der PP befinden. Die Konflikte werden bei jeder wichtigen Entscheidung erneut ausbrechen, vor allem wenn nun die Verabschiedung des extremen Sparhaushalts ansteht, den Brüssel von Spanien fordert. Verweigert sich die PSOE dann, geplante Maßnahmen per Enthaltung abzunicken, wird Rajoy ohne Zögern zurücktreten und eine kopflose PSOE auf dem falschen Fuß mit Wahlen überraschen.

Für die Sozialdemokraten, die sich in der Wählergunst ohnehin seit sechs Jahren im freien Fall befinden, wird die Lage sicher nicht gerade besser, wenn sie auch noch harte Spareinschnitte absegnen. Wie die Partei diesen Rechtsruck und dieses Dilemma ohne Spaltung überstehen will, ist auch vielen Parteiführern unklar. Das ist unschwer unter vorgehaltener Hand aus der Parteizentrale in Madrid zu vernehmen.