Selbstmord-Strategie der spanischen Sozialdemokratie
Die Parteirechte hat nun den Parteichef Pedro Sánchez gestürzt, um dessen Pläne für eine Linksregierung zu beerdigen
Es war klar, dass der Chef der spanischen Sozialdemokraten nach den fatalen Wahlergebnissen in Galicien und dem Baskenland auf dem Schleudersitz sitzen würde. Nun wurde er von der Parteirechten abserviert, weil er an der Vorstellung festhalten wollte, in keinem Fall der rechten Volkspartei (PP), die in zahllose Korruptionsskandale verstrickt ist, erneut zur Macht zu verhelfen. Deshalb wollte er mit der linken Podemos ("Wir können es") eine alternative Regierung bilden, wogegen es zum offenen Aufstand der mächtigen Parteibarone kam.
Hinter den Kulissen zog die mächtige Regionalchefin aus Andalusien die Fäden. Darüber sind sich diverse Medien einig. Susana Díaz habe "Sánchez zum Rücktritt gezwungen und die Zügel in der Partei übernommen", titelt Público heute groß. Eldiario.es fügt an, dass sie die "Kontrolle in einer zerstörten PSOE" übernommen habe. Für Díaz ist die Linkspartei ein rotes Tuch, weshalb sie sich in Andalusien auf die rechte neoliberalen Ciudadanos (Bürger) stützt.
Beruhigt ist nur die große El País über die Vorgänge. Das Blatt, dass den "Sozialisten“ (PSOE) nahesteht, wie sich die Sozialdemokraten nennen, hatte seit Monaten massiv Stimmung gegen Sánchez gemacht. 46 Aufmacher und 26 Editorials hat Vozpopuli allein seit Juni gezählt. Zuletzt wurde offen die "unvermeidbare Absetzung" gefordert und dem Parteichef "Feigheit“ und "Lüge" vorgeworfen.
Dabei wollte er sich an das halten, wofür er von der Basis erstmals in das Amt gewählt wurde - das, was er vor den Wahlen versprochen und was auch die Parteiführung beschlossen hatte. El País spricht im Editorial heute nun von der "Stunde der Einheit“ in einer Partei, die diese Einheit dem bisherigen Chef verweigert hatte, weil mächtigen Parteifürsten die Linie nicht gepasst hat. Deshalb steht die Partei nun vor einer Spaltung und ob die noch abzuwenden ist, ist fraglich.
Nach dem Showdown am Samstagabend trat schließlich Sánchez zurück. Er hatte den Machtkampf in der Parteiführung definitiv verloren, womit seine Partei weiter ins rechte und nationalistische Lager gerückt ist. So blieb ihm nicht mehr als der Rücktritt, den er angekündigt hatte, sollte im PSOE-Landeskomitee, das höchste Gremium zwischen den Parteitagen, sein Vorschlag abgelehnt werden.
Mit 133 zu 109 Stimmen wurde abgelehnt, die Parteibasis noch am 23. Oktober über den Generalsekretär abstimmen zu lassen, um damit auch die Parteilinie festzulegen. Am 12. und 13. November sollte eine neue Parteiführung auf einem außerordentlichen Parteitag gewählt werden.
Parteiführung riskiert weiteren Absturz der PSOE
An einem Kongress und einer Urwahl kommt die Partei aber ohnehin nicht vorbei. Dort wird die Andalusierin Susana Díaz versuchen, Parteichefin zu werden. Doch das soll nun erst nach der Regierungsbildung geschehen. So dürfte die "Garantiekommission", die die Partei nun für Díaz zunächst steuert, vermutlich gegen alle Versprechen den Weg für eine Regierungsbildung durch Rajoy freimachen, ohne dass El País von Lüge oder Verrat sprechen wird. Dazu ist noch bis Ende Oktober Zeit.
Die PSOE muss nun mit allen Mitteln verhindern, dass an Weihnachten erneut gewählt wird. Sie stürzt wegen ihrem Rechtskurs seit Jahren von einem schlechten Wahlergebnis zum nächsten. Die Wahlen im Dezember würden ihr nach dem "Putsch" der Barone, wohl ein Ergebnis bescheren, dass noch deutlich unter den 22,7% bleiben würde, die die Partei im Juni noch erreicht hat.
Etliche Parteimitglieder hatten sich vor dem Sitz in Madrid versammelt und die "Rebellen" als "Putschisten" und "Verräter" bezeichnet, während die Parteifürsten als "Mafia" gebrandmarkt wurden. Mitglieder und Wähler machten den Versammelten klar, dass sie die PSOE gewählt hätten, weil sie keine neue PP-Regierung wollten. Es kam zum Teil sogar zu Handgreiflichkeiten unter den Mitgliedern
Die Parteifürsten, die nun wieder den Ton angeben, dürften für eine Unterstützung der rechten Volkspartei (PP) oder einer Enthaltung, die ausreichen würde, nicht einmal den Kopf des bisherigen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy fordern, der für das fatale politische Geschehen der letzten vier Jahre verantwortlich ist.
Rajoy hat nicht nur die heftigsten Einschnitte in den Sozialstaat zu verantworten, die nicht einmal das Haushaltsdefizit nachhaltig gesenkt haben, weshalb Spanien noch immer Strafen der EU-Kommission fürchten muss. Nach Angaben seines früheren Schatzmeisters hat er darüber hinaus selbst viel Geld aus dessen mit Schmiergeld prall gefüllten Schwarzgeldkassen bekommen.
Dass er dafür nicht einmal politisch verantwortlich gemacht wird, ist die historische Leistung von skrupellosen sozialdemokratischen Parteiführern. Die setzen wohl darauf, dass vergessliche Wähler dies in den folgenden vier Jahren verdrängen. Sie haben aus den Verlusten der letzten Jahre offensichtlich keine Erkenntnisse gezogen.