Strohfeuer oder nachhaltiges Wachstum in Deutschland?

Das zwischenzeitlich herbeigedopte Wirtschaftswachstum in Deutschland erweist sich im vierten Quartal 2009 schon wieder als Nullwachstum.

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Der deutsche Wirtschaftsmotor hat schon wieder zu stottern begonnen. Alles weist darauf hin, dass die zwischenzeitliche Erholung alles andere als nachhaltig ist. So teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Mittwoch in einer ersten Schätzung mit, dass nach geringen Wachstumsraten im zweiten und dritten Quartal 2009 nun im vierten Quartal bestenfalls ein Nullwachstum zu erwarten sei.

Was von den mit Abwrackprämien, Konjunkturpaketen und Bankenrettungsprogrammen herbeigedopten Minimalwachstumsraten zu halten ist, die im zweiten Quartal 0,3 % über dem Vorquartal und im dritten Quartal um 0,7 % über dem Vorquartal lagen, macht Destatis in den ersten Sätzen der Mitteilung deutlich. Nach den Berechnungen der Statistiker ist die deutsche Wirtschaftsleistung 2009 insgesamt mehr als deutlich geschrumpft. "Mit –5,0% war der Rückgang des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) so stark wie noch nie in der Nachkriegszeit", hätten erste Berechnungen ergeben.

Damit fiel trotz der vielen Hilfsprogramme der BIP-Rückgang sogar noch stärker aus, als von Experten ohnehin mit 4,8 % erwartet worden war. Zweistellige Rückgänge habe es beim Export von Waren und Dienstleistungen (-14,7 %) und bei den Ausrüstungsinvestitionen (-20 %) der Unternehmen in Maschinen und Anlagen gegeben. "Der wirtschaftliche Einbruch fand hauptsächlich im Winterhalbjahr 2008/2009 statt", im Jahresverlauf hätte sich eine leichte Stabilisierung der Wirtschaftsentwicklung auf niedrigem Niveau ergeben.

Allgemein wird damit gerechnet, dass 2010 ein schwieriges Jahr wird und bestenfalls ein Teil des schweren Einbruchs wieder aufgeholt werden kann. Die Bundesregierung hofft auf ein Wachstum von etwa 1,5 %. Doch muss sich zeigen, ob das Ende der Abwrackprämie und anderer Fördermaßnahmen nicht genauso zu einem Einbruch der Binnennachfrage führen wird, wie die Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit steigen wird. Der Spielraum der Regierung wird angesichts der ausufernden Verschuldung zudem immer geringer, die Destatis ebenfalls ermittelt. Das Defizit von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen habe sich auf 77,2 Milliarden Euro erhöht, heißt es nun in der Vorausschätzung. Das entspräche etwa 3,2 % des BIP, womit die EU-Defizitgrenze von 3 % auch von Deutschland gerissen wird.

Die gesamte Staatsverschuldung beläuft sich schon auf mehr als 1.600 Milliarden Euro. Sie wird sich mit einer erwarteten Neuverschuldung 2010, die wohl sogar etwa doppelt so hoch wie 2009 ausfallen dürfte, mit großen Schritten unfassbaren 2 Billionen Euro nähern. Der Anteil des Bundes daran liegt schon jetzt bei einer Billion und deshalb müssen im kommenden Jahr allein mehr als 40 Milliarden Euro für Zinsen ausgegeben werden. Die machen schon den zweitgrößten Ausgabeposten im Budget der schwarz-gelben Bundesregierung aus. Aus dieser Sicht ist das dritte Konjunkturpaket, mit Steuergeschenken für Hoteliers und Besserverdienende, völlig unverständlich und das wird auch im eigenen Lager und von vielen Experten so gesehen.

Angesichts der Zahlen dürfen die Einschätzungen von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) wohl eher als die berühmte Psychologie angesehen werden, die Bundeskanzlerin Angela Merkel lange als ihr wesentliches Werkzeug zur Krisenbekämpfung einsetzte. Sie versuchte die tiefe Krise wegzudiskutieren, und die Regierung verteilte hämisch Ratschläge in alle Welt, um bald kleinlaut in die Stapfen derer zu treten, die zuvor heftig kritisiert wurden. Nun sieht Brüderle den Tiefpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland für durchschritten, obwohl die Tendenz der geringen Wachstumsraten schon wieder negativ durchbrochen wurde. "Die weltweiten und nationalen Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur haben dazu beigetragen, den schlimmsten Einbruch der deutschen Wirtschaftsleistung seit Bestehen der Bundesrepublik zu überwinden", sagte Brüderle nach der Bekanntgabe der Destatis-Daten in Wiesbaden. Nun komme es darauf an, den Grundstein für einen sich selbst tragenden Aufschwung zu legen. Wie das geschehen soll, sagte er nicht.