Terrorkarte ist ausgespielt

Zwar sehen die US-Bürger kein großes Problem mehr mit der Terrorbedrohung, aber die Warnstufe steht noch immer auf hoch

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Obgleich die Aufregung über den geplanten Moscheebau in der Nähe von Ground Zero groß ist und es am 11.9. zum 9. Jahrestag des Anschlags eine erste antimuslimische Demonstration gab, während ein paar Demonstranten vor dem Weißen Haus zwar nicht den Koran verbrannten, aber ein paar Seiten aus dem Buch herausrissen, scheint das primäre Erbe von Bush und Cheney nun endgültig aus den Köpfen der Menschen verschwunden zu sein.

In Folge der Terroranschläge, die die USA traumatisierten, weil sie das Land durch neue Bedrohungen nach dem Kalten Krieg als verletzlich zeigten, rief Bush den globalen Krieg gegen den Terror aus und versuchte, die Menschen durch Schürung von Angst, den Beginn von Kriegen, Aufrüstung und Sicherheit über alles hinter sich zu halten und seine Politik durchzusetzen. Die Angst vor und die Bekämpfung des Terrorismus wurde nicht nur in den USA, sondern etwa auch in Deutschland zur beliebig einsetzbaren Karte, um die Macht des Staates auszuweiten und militärische Interventionen zu rechtfertigen.

Die Karte scheint nun endgültig ausgespielt zu sein, wenn man einer Gallup-Umfrage zum Jahrestag der Anschläge vom 11.9. Glauben schenkt. Gerade einmal ein Prozent der Amerikaner sehen im Terrorismus noch ein wichtiges Problem für ihr Land. Im Oktober 2001 war dies aber noch die Meinung von 46 Prozent, im Januar 2002 sagten dies nur noch 25 Prozent. Danach sank, immer einmal unterbrochen mit Ausschlägen nach oben, die Angst vor dem Terrorismus stetig ab, während die Kriege in Afghanistan und im Irak erst den Terrorismus wirklich entfachten und Selbstmordanschläge zu einem fast täglichen Phänomen machten.

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Mittlerweile ist man fast wieder bei der Situation angekommen, die vor den Anschlägen herrschte. Am 10. September 2001 war nur ein halbes Prozent der US-Amerikaner der Meinung, dass der Terrorismus ein wichtiges Problem für die USA sei. Obgleich seit 2001 kein Anschlag mehr ausgeführt wurde, hält selbst die Obama-Regierung weiter daran fest, die Warnstufe vor Terroranschlägen auf "hoch" (gelb) zu belassen, das Risiko für Inlands- und Auslandsflüge steht sogar auf "erhöht" (orange). Einmal eingeführt, scheint man nicht vor Schürung der Angst lassen zu können. Der Threat-Level wurde zwar hin und wieder einmal nach oben gesetzt, aber niemals tiefer. Das Warnsystem ist auch so gestaltet, dass zumindest ein geringes Risiko für einen Terroranschlag besteht. Normalität ist nicht vorgesehen.

Heimatschutzministerin Janet Napolitano meldet erfreut zum 11.9., dass man nun an den US-Flughäfen den zweihundertsten Nacktscanner installiert hat. Das erhöhe die Sicherheit und schaffe lokal Arbeitsplätze. Die Aufrüstung der Sicherheitstechnologie hat Obama zum Teil des Konjunkturprogramms gemacht. Jetzt geht es also weniger um die Sicherheit vor dem Terrorismus, sondern um den Erhalt von Arbeitsplätzen.

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Terrorgruppen weltweit

Und die Obama-Regierung gibt über das National Counterterrorism Center (NCTC) einen Counterterrorism Calender 2010 online heraus, der weiterhin über die Existenz, die Methoden, Regionen und Gefahren des Terrorismus aufklären soll – und gleichzeitig die islamistischen Terroristen aufwertet. Zudem wird mit einigen "Mythen" aufgeräumt. So sei Terrorismus nicht mit Armut verbunden, viele Terroristen würden aus der Mittelklasse stammen und Hochschulbildung haben. Das war freilich schon immer so. Und auf die Frage, ob die US-Politik am Terrorismus schuld sei, windet man sich sichtlich. Die Gründe für die Radikalisierung seien sehr unterschiedlich und hingen von Gruppen und Regionen ab. Irgendwie habe dies mit persönlicher Motivation und lokalen Gegebenheiten zu tun. Die US-Politik, so muss man daraus entnehmen, ist unbeteiligt.

Und auf den Mythos, dass es sichtbare Zeichen für Radikalisierung gebe, heißt es immerhin, dass dem nicht so sei. Auf der interaktiven Karte der Terrorgruppen wird ein Großteil der USA schon einmal verdeckt. Pakistan und Irak werden zwar als regionale Zentren gezeigt, nicht aber Afghanistan, weswegen man auch die Taliban nicht unter den aufgelisteten Terrorgruppen findet, zu denen neben den islamistischen Gruppen eigentlich nur die Farc gerechnet wird. Al-Qaida wird ein großes Operationsgebiet zugeschrieben.

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Operationsgebiet von Al-Qaida