Zu treuen Händen - Bundeswehr in unternehmerischer Beratung
Ein Kommentar von Arno Klönne
Das Bundesministerium für Verteidigung ist seit längerem in schlechten Ruf geraten: Es sei nicht fähig, Rüstungsprojekte rationell und rentabel zu betreiben. Ein solcher Imageschaden hemmt bei der regierungsamtlichen Absicht, die Bundesrepublik global stärker in "militärische Verantwortung" zu bringen. Dem will die zuständige Ministerin nun entgegenwirken; ein privates Unternehmen soll unter erheblichem Aufwand die "Beschaffungsstrukturen" und das rüstungsbehördliche Management überprüfen und dafür neue Konzepte entwickeln.
Der Auftrag wird - nach ministeriell noch nicht bestätigten Pressemeldungen - an die KPMG - Beratungsgesellschaft AG gehen. Diese ist der deutsche Zweig eines gleichnamigen internationalen Firmenverbundes, der mit über 20 Milliarden US-Dollar Umsatz zu den weltweit großen Vier in der Branche gehört. Die Geschäftsbereiche: Audit, Tax und Advisory, also Bilanzprüfung, Steuerberatung und strategische Ausrichtung von Unternehmen.
Kritiker bezeichnen KPMG als "legal staatsfeindlich", weil hier die Beratung darauf abziele, den Zufluss von Steuergeld in die öffentlichen Haushalte zu vermeiden, ohne juristisch Anlass zum Eingreifen zu geben. Ungeklärt ist, ob KPMG nicht nur bei der Steuervermeidung tätig ist, sondern auch hilfreich beim behördlichen Entwurf von Steuervorschriften mitwirkt.
KPMG Deutschland ist gut vernetzt, zu den Kunden des Unternehmens gehören u.a. die Deutsche Bank, BMW, Fresenius, Thyssen-Krupp. Einige fragwürdige Beratungsvorgänge, so beim Holzmann-Baukonzern und bei der Affäre Hypo-Bank/ Bayerische Vereinsbank, haben den Erfolg von KPMG offenbar nicht gehemmt.
Die deutsche KPMG AG beruft sich auf eine lange Tradition, beginnend schon vor dem Ersten Weltkrieg; als Vorläuferunternehmen gilt ihr die Deutsche Treuhand - Aktiengesellschaft, 1890 zunächst unter dem Titel "Deutsch-Amerikanische Treuhand" gegründet. Die historische deutsche Treuhand AG bewährte sich nach 1933 als Partner des NS-Staates vor allem bei der wirtschaftlichen Administration der Aufrüstung. Details dazu sind in einer Dissertation des Historikers Frank Pega zu finden, die 2009 an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität entstand.
Dass die KPMG in ihrem Firmenschild inzwischen nicht mehr mit dem Zusatz "Treuhand" auftritt, dürfte auf weitverbreitete Zweifel an der Tätigkeit jener "treuhänderischen" Institution zurückzuführen sein, die nach dem Untergang der DDR das dortige Volksvermögen zu privatisieren hatte.
Der Auftrag, den Ursula von der Leyen nun an an ein privates Unternehmen vergeben wird, wirft Fragen auf, die allgemein solche Interaktionen zwischen Staat und kommerziellen "Beratungs"-Firmen betreffen. Beschaffungspolitik bei der Bundeswehr lässt sich nicht trennen von den Zielen, die jeweils militärpolitisch gesetzt werden und für die in der Bundesrepublik formal das Parlament zuständig ist.
Argumentation mit der "Wirtschaftlichkeit" einzelner Rüstungsprojekte aber wirkt sich auf Entscheidungen über die Linien in der Militärpolitik aus; die Rüstungsexperten im Bundestag werden (auch wenn sie es wollten) kaum in der Lage sein, unternehmerischer Expertise etwas entgegen zu setzen. Dass eine Firma wie KPMG, die auf Kunden in der großen Privatwirtschaft angewiesen ist, dem kommerziellen Interesse am Rüstungsgeschäft und einer diesem dienlichen Militärpolitik in die Quere kommen könnte, ist nicht zu erwarten. Privatunternehmerische "Advisory" wird so - außerhalb der Verfassung - zur Beteiligung an Weichenstellungen der deutschen Militärpolitik.