Von Multitasking und Monotasking

Bild: Petr Novak/ CC-BY-SA-2.5

Neigung zu kürzerer Aufmerksamkeit auf eine Aufgabe hängt, so eine Studie, auch von Eigenschaften der Persönlichkeit ab, aber warum ist höhere Aufmerksamkeit mit kürzeren Schlafzeiten verbunden?

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Multitasking nennt man das Springen der Aufmerksamkeit zwischen zwei und mehr Aufgaben. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang, da die Aufmerksamkeit ein Nadelöhr der kognitiven Verarbeitung ist und sich nur auf einen Vorgang konzentrieren kann, während der Rest in den Hintergrund rückt. Wenn wir mit jemanden kommunizieren, springen wir zwischen Sprechen, Zuhören und Beobachten ebenso wie dann, wenn wir Gehen und den Blick zwischen Nähe und Ferne schweifen lassen. Die Aufmerksamkeit ist zudem ein Gefahren- und Bedürfnissensor, weswegen sie stets darauf ausgerichtet ist, Veränderungen und Neues zu detektieren, weswegen Aufmerksamkeit auch durch eine entsprechende Reizumgebung leicht vom konzentrierten "Monotasking" abgelenkt werden kann.

Kurz und gut, fokussierte Aufmerksamkeit über längere Zeit auf eine Aufgabe zu richten, ist eine kulturelle Disziplin, schließlich bedeutet dies, die möglichen Gefahren und Versuchungen der Umgebung auszublenden. Das kann riskant sein und Möglichkeiten des Lustgewinns verhindern. In der Informationsgesellschaft wurde zum Problem, welche Folgen Multitasking-Anforderungen am Arbeitsplatz mit sich bringen. Schließlich dringen auf Menschen, die vor Computerbildschirmen sitzen, eine Menge an unterschiedlichen Informationen ein, die um die Aufmerksamkeit konkurrieren, beispielsweise kommen während des Lesens oder Schreibens Emails an oder andere Benachrichtungen an oder es klopft ein Anrufer über Skype an, mit dem man spricht, während man die Emails überfliegt oder den Facebook- oder Twitterstream verfolgt.

Zudem kann die Arbeit durch Monotasking Langeweile entstehen lassen, wodurch der Wunsch nach Ablenkung oder Unterbrechung wach und verfolgt wird. Das geschieht vor den digitalen Bildschirmen viel einfacher als in der vordigitalen Welt, weil auf Computern alle möglichen Anwendungen laufen, man also nicht das Gerät wechseln muss, um etwa von der Arbeit zur Unterhaltung oder zur Kommunikation zu wechseln.

Fest steht anhand von Untersuchungen, dass häufiges Wechseln zwischen verschiedenen Aufgaben die Dauer der Konzentration auf eine Aufgabe sinken lässt und dass mit dem Wechseln von unterschiedlichen Aktivitäten mehr Zeit benötigt, eine Aufgabe zu beenden, als wenn sie konzentriert bearbeitet wird. Ein Team von Wissenschaftlern von der University of California, Irvine, von Microsoft Research und vom MIT-Media Lab hat nun in einer Studie versucht herauszubekommen, inwiefern Multitasking während der Arbeit am Computer durch individuelle Faktoren wie Persönlichkeit, Stress oder Schlafzeiten beeinflusst wird, bzw. welche Menschen eher zum Multitasking neigen.

Dazu wurden die Online-Aktivitäten von 40 "Informationsarbeitern" (Mitarbeiter der Verwaltung, des Managements und Ingenieure) zwei Wochen lang mittels des Microsoft-Programms Windows Activity Logging aufgezeichnet. Dabei wird registriert, welches Fenster im Vordergrund ist und mit welchem Fenster der Nutzer interagiert. Zudem wurde für die Persönlichkeit der Grad an Neurotizismus und der Impulsivität sowie die Stresswahrnehmung und die Schlafdauer erfasst.

Erstaunlich dabei ist schon mal die kurze Aufmerksamkeitsspanne. Gerade einmal im Median 40 Sekunden oder im Durchschnitt 47 Sekunden verbringt der Nutzer vor einem Fenster, also mit einer Aufgabe, bevor er zum nächsten Fenster wechselt. Die längste Aufmerksamkeitsdauer wird für die Nutzung von Emails (61,8 Sekunden) und für "Produktivitäts-Programmen (Word, Powerpoint, Excel etc.) mit 64 Sekunden erzielt, Kommunikationsanwendungen wie Skype oder IM werden mit 42,5 Sekunden kürzer genutzt. Man arbeitet schließlich. Mehr als 130 Mal wird während der Arbeitszeit innerhalb von Programmen gewechselt und mehr als 270 Mal zwischen Programmen.

Manche Menschen neigen verstärkt zu Ablenkung

Bei der Auswertung ergab sich der Zusammenhang, dass die Aufmerksamkeitsdauer desto kürzer ist, je höher der Grad an Neurotizismus und je stärker die Impulsivität bei den Nutzern ist. Auch Stress verkürzt die Aufmerksamkeitsdauer. Interessant war, dass offenbar kürzere Schlafzeiten mit erhöhter Aufmerksamkeit korrelierten. Die Autoren führen dies auf Termindruck zurück. Bei der Frage nach Deadlines wurde deutlich, dass die Aufmerksamkeit stieg, je mehr täglich zu bewältigen waren. Ob das anhaltend ist, konnten die Autoren allerdings nicht klären.

Das Ergebnis könnte geradezu dazu ausgenutzt werden, dass Arbeitgeber den Arbeitsdruck erhöhen und den Stress verstärken, um die Produktivität zu verstärken. Aber selbst wenn es einen solchen Zusammenhang gibt, der nicht durch andere Faktoren wie Bezahlung, Karriereaussichten oder die in dem Unternehmen herrschende Arbeitskultur bedingt werden, ist keineswegs ausgemacht, dass längere Konzentration auch bessere Ergebnisse bringt. Allerdings führen die Autoren an, dass nach den Befragungen der Versuchspersonen über ihre Einschätzung der Produktivität kürzere Aufmerksamkeitsspannen mit geringerer Produktivität verbunden werden. Das "Switchen" habe Kosten.

Die Autoren schließen jedenfalls aus ihren Ergebnissen, dass es eine manchen Menschen mehr oder weniger stark innewohnende Neigung zur Ablenkung gibt, die auf einen Kontrollmangel zurückgeführt wird. Mangelnde Konzentration bzw. das schnelle Springen der Aufmerksamkeit wäre dann nicht mit den digitalen Medien alleine verbunden, sondern auch das Ergebnis einer erhöhten Ablenkungsbereitschaft. Man könnte aber Lernprogramme und Spiele auf unterschiedliche Aufmerksamkeitsmuster zuschneiden, zudem ließen sich doch auch virtuelle Agenten einsetzen, die für leicht ablenkbare Personen Unterbrechungen verwalten, um deren Aufmerksamkeitsdauer zu erhöhen. Das entspricht der Tendenz, Folgen technischer Systeme mit neuen technischen Systemen kompensieren zu wollen.