Klebergate: Stichwahl wegen schadhafter Wahlunterlagen verschoben

Grafik: TP

Österreichische Staatsdruckerei soll zuverlässiger arbeiten als das vorher beauftragte Unternehmen

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Der österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka gab heute Mittag offiziell bekannt, dass die Wiederholung der Bundespräsidentenstichwahl, die für den 2. Oktober angesetzt war, verschoben werden muss, weil er nach intensiven Beratungen mit den Fraktionsvorsitzenden der Parteien, Beamten und Fachjuristen zum Ergebnis gekommen sei, dass wegen schadhafter Briefwahlunterlagen eine "einwandfreie und rechtskonforme Wahl" zu diesem Termin nicht gewährleistet werden könne. Deshalb soll der Nationalrat morgen in einer Sondersetzung ein Gesetz zur Verschiebung auf den 4. Dezember beschließen.

Außerdem empfahl der ÖVP-Politiker dem Nationalrat, das Gesetz so zu formulieren, dass die Wählerregister aus dem Ersten Wahlgang im Frühjahr aktualisiert werden, weil seitdem zahlreiche Bürger verstarben und andere das Wahlalter erreichten, das in Österreich bei 16 Jahren liegt. Auch ein Auszählen der Briefwahlstimmen am Wahlsonntag anstatt am Tag danach, hält er für eine wünschenswerte Änderung.

#Klebergate und ein pragmatischer, aber rechtswidriger Rat

Vor der Verschiebung hatten sich zahlreiche Briefwähler gemeldet, bei denen sich die Klebeflächen an den Briefwahlkuverts lösten. Nicht verklebte Briefwahlkuverts können in Österreich dazu führen, dass Stimmen ungültig werden, weil dann eine Manipulation nicht mehr ausgeschlossen ist (vgl. Haben Wahlen früher besser funktioniert?). Die offizielle Wahlhotline des Innenministeriums hatte betroffenen Wählern - pragmatisch aber rechtswidrig - dazu geraten schadhafte Kuverts mit Klebestift zuzukleben - aber so, dass man es "von außen nicht sieht, dass da etwas manipuliert wurde". In Sozialen Medien etablierte sich für die Panne der Hashtag #Klebergate - Nutzer fragten sich unter diesem Stichwort unter anderem, ob der Kleber auf den Wahlplakaten wohl besser hält als der auf den Kuverts und nahmen Wetten an, ob Österreich einen Bundespräsidenten hat, bevor in Berlin der Flughafen fertig wird - oder umgekehrt.

Dass sich die Panne nicht wiederholt, will Sobotka dadurch sicherstellen, dass dieses Mal keine private, sondern die Staatsdruckerei mit der Fertigung der Unterlagen beauftragt wird. Ob sich der österreichische Staat einen Teil der auf zwei Millionen Euro geschätzten Kosten für die Wahlwiederholung von der Druckerei, die die schadhaften Kuverts lieferte, erstatten lassen kann, wird derzeit geprüft. Medienberichten nach machte das Unternehmen im letzten Geschäftsjahr 840.000 Euro Verlust, weshalb ein Schadensersatzanspruch möglicherweise nicht in einer entsprechenden Zahlung, sondern in einer Zahlungsunfähigkeit enden könnte.

Die beiden Präsidentschaftskandidaten akzeptieren die Verschiebung - wenn auch mit unterschiedlicher Bereitwilligkeit. Norbert Hofer, der in den Umfragen aktuell führt, fragte sich bei einer Wahlkampfveranstaltung im oberösterreichischen Wels bereits am Wochenende, warum die ebenfalls schadhaften Briefwahlunterlagen für die Bezirksvertretungswahl in Wien-Leopoldstadt bis zum 18. September ausgetauscht werden können, während man für die Bundespräsidentenwahl den Termin verschieben will - und ob es Akteure gibt, die "Interesse an einem späteren Wahltermin" haben.

Hofer wirbt für Gesetze mit Ablaufdatum, Kern für ein EU-Investitionsprogramm

Ob ein längerer Wahlkampf eher dem Freiheitlichen Hofer oder eher dem ehemaligen Grünen-Chef van der Bellen nutzt, hängt davon ab, was in der Zeit bis zum Wahltermin passiert und womit die Kandidaten und deren Unterstützer auffallen. Hofer macht das aktuell mit dem Vorschlag, umstrittene Gesetze mit einem "Ablaufdatum" zu versehen. Nach Ablauf der Befristung könnte das Parlament bei solchen Gesetzen feststellen, wie sich die Regelung in der Praxis auswirkt, und mit entsprechend fundierteren Kenntnissen neu entscheiden. Außerdem gab der Kandidat der Freiheitlichen an, im Falle eines Wahlsieges zwischen Russland und den USA vermitteln zu wollen.

Im Lager der Etablierten will Bundeskanzler Christian Kern mit einem Hunderte Milliarden Euro schweren EU-Investitionsprogramm bei den Wählern punkten. In einem heute erschienenen Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) diagnostiziert er, der "Glaube an das Wohlstandsversprechen der europäischen Einigung" habe "nachhaltig" unter der Sparpolitik der letzten Jahre gelitten, weshalb viel mehr öffentlich investiert werden müsse als die aktuell dafür eingeplanten 315 Milliarden Euro. Österreichische Medien sehen darin ein weiteres Abrücken von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die dem ORF nach "wesentlich für den Austeritätskurs verantwortlich ist".

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