Warum ISIL nicht ISIS heißt

Die salafistische Terrorgruppe will mehr als nur den Irak und Syrien

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Die salafistische Terrorgruppe, die große Teile Nordostsyriens und des Nordwestiraks unter ihrer Kontrolle hat und sich derzeit anschickt, Bagdad zu erobern, trägt den arabischen Namen ad-dawla al-islāmīya fī l-ʿirāq wa-sch-schām. Wörtlich übersetzt heißt das nicht "Islamischer Staat im Irak und in Syrien", sondern "Islamischer Staat im Irak und im Norden". Im engeren Sinne versteht man unter diesem "Norden" im arabischen Kulturkreis die Levante", zu der nicht nur Syrien, sondern auch der Libanon, Jordanien, der Gazastreifen, die Westbank - und vor allem Israel - gehören.

Die Weigerung, sich an bestehende Landesgrenzen zu halten, war im letzten Jahr der entscheidende Grund für den Bruch zwischen ISIL, al-Qaida und der al-Nusra-Front. Und es macht deutlich, dass ISIL nicht damit zufrieden wäre, die sunnitischen Gebiete in Ostsyrien und im Westirak zu beherrschen - die Salafisten wollen auch Gegenden erobern, in denen überwiegend Christen und Juden wohnen. Was mit denen passieren soll, das zeigt ihr teilweise genozidales Vorgehen im syrischen Bürgerkrieg.

Aber auch mit dem Libanon und Israel gibt sich die salafistische Bewegung, die hinter ISIL steckt, nicht zufrieden: Ihr schwebt die Weltherrschaft des Salafismus vor, in der Andersgläubige - wenn überhaupt - nur noch einen Platz als unterworfene Diener haben, die den salafistischen Herren eine Kopfsteuer zahlen müssen. Durch dieses Endziel unterscheidet sich der Krieg in Syrien und im Irak auch grundlegend vom Konflikt in der Ukraine, in dem es um eine Sprache und um berechenbare geopolitische Interessen geht.

Trotzdem fallen die Reaktionen auf den ISIL-Blitzkrieg bislang merkwürdigerweise schwächer aus als auf die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation: Man denkt in Europa zwar viel über ein Ende der Abhängigkeit von russischem Erdgas nach, aber nicht über Handelssanktionen gegen Katar und Saudi-Arabien, wo die wichtigsten Finanziers der Salafisten sitzen. Und über Einreiseverbote gegen Scheichs aus diesen Ländern oder über eingefrorene Konten ist bislang ebenfalls noch nichts bekannt geworden. Stattdessen hält man auch nach massiven Korruptionsindizien noch daran fest, die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar abzuhalten und lässt zu, dass der katarische Scheich al-Thani relativer Mehrheitsaktionär der Deutschen Bank wird.

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