Chaos bei Regierungsbildung in Bagdad

Die Amerikaner entsenden nach der Lieferung von russischen Kampfjets weitere Soldaten und Drohnen nach Bagdad und werden so in den Konflikt hineingezogen

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Die Lage im Irak ist weiter unübersichtlich. An zahlreichen Orten finden Kämpfe und Schießereien statt. Inzwischen ist das im April gewählte Parlament erstmal zusammengekommen. Al-Maliki, der alte Regierungschef klammert sich an die Macht, braucht aber Koalitionspartner für seine Rechtsstaats-Allianz. Eine Regierungsbildung dürfte nicht einfach werden, was schon von Anfang an deutlich wurde, zumal das Land am Auseinanderbrechen ist und die Kurden faktisch schon einen eigenen Staat haben.

Blick aus dem Hubschrauber, mit dem US-Außenminister Kerry Ende Juni vom Flughafen zur US-Botschaft in Bagdad flog. Bild: state.gov

Auch unter den Schiiten gibt es Zerwürfnisse. So unterstützt weder der frühere Chef der Übergangsregierung al-Dschafari mit seiner "Nationalen Reformbewegung" noch die schiitische "Irakische Nationalallianz" eine Nominierung von al-Maliki, zumindest konnte man sich nicht darauf einigen. Der radikale Schiitenführer as-Sadr, der mit seiner parlamentarischen Gruppe, der Mahdi-Armee, Teil der Irakischen Nationalallianz ist, fordert sowieso seinen Rücktritt, seine Milizen lässt er auch nicht im Verein mit den irakischen Truppen gegen ISIL bzw. den "Islamischen Staat" kämpfen. Sunniten und Kurden haben bereits die erste Sitzung wieder verlassen, was eine vor allem von der US-Regierung geforderte Regierung der nationalen Einheit unmöglich macht.

Im Rennen als Kandidat für einen neuen Regierungschef ist ein alter Vertrauter: der umstrittene Schiit Ahmad Tschalabi mit seiner Partei, der "Irakischen Nationalkonferenz". Tschalabi war einer der entscheidenden Lobbyisten für den Irak-Krieg, eng verbunden mit den NeoCons im Weißen Haus und mit der CIA, und hatte entsprechende falsche Informationen geliefert, die von den Geheimdiensten übernommen wurden. Nach dem Sturz von Hussein war Tschalabi für die USA der ausersehene Kandidat für eine irakische Regierung und wurde kräftig, auch finanziell, mit seiner Partei gefördert. Er war zunächst Präsident des Regierungsrats, dann stellvertretender Regierungschef der Übergangsregierung, fiel aber bei den Wahlen durch und verlor schließlich auch wegen Betrügereien und seiner politischen Ränkespiele an Einfluss bei den Amerikanern.

Wie die New York Times erstaunt anmerkt, hat Tschalabis Partei nur einen Sitz im Parlament, nämlich dem seinen, weswegen es ein Hinweis auf seine Fähigkeiten sei, nun wieder ins Spiel zu kommen. Nach Hakim al-Zamili, einem der Abgeordneten des as-Sadr-Blocks, sind der schiitische Politiker Adel Abdul Mahdi, 2005-2011 Vizepräsident, eng mit Iran verbunden und als Mitglied der Partei "Oberster Islamischer Rat im Irak" ebenfalls bei der "Irakischen Nationalallianz", oder eben Tschalabi, der viel mit as-Sadr kooperiert hat, mögliche Kandidaten für den neuen Regierungschef. Die Irakische Nationalallianz übt Druck auf den umstrittenen al-Maliki aus, weil sie fürchtet, dass er stürzen könnte, und will mit einem anderen Kandidaten die schiitische Macht in der Regierung sichern.

Während also womöglich ein alter Bekannter von Washington im Irak eine politische Wiederauferstehung entgegen sehen könnte, beginnt Barack Obama damit, weiter in den Konflikt hineinzurutschen. Nachdem er bislang abgelehnt hatte, al-Maliki direkt militärisch zu unterstützen und nur 300 Militärberater nach Bagdad schickte, scheint das Weiße Haus nun durch die russische Geste aufgeschreckt worden zu sein, die der irakischen Armee Kampfflugzeuge verkauft hat.

Die ersten wurden bereits geliefert. Die irakische Regierung hatte um Kampfflugzeuge auch in Washington angefragt, war aber abgewiesen worden. Die Auslieferung der versprochenen F-16-Jets hat sich verzögert. In Reaktion auf den russischen Vorstoß, auch wenn dies nicht gesagt wird, hat sich Obama nun entschieden, weitere 200 Soldaten zur Sicherung der US-Botschaft und anderer US-Einrichtungen sowie zu der des Flughafens nach Bagdad zu entsenden. Dazu kommen nach Angaben des Pentagon Hubschrauber und Drohnen.

Die bis zu 300 Militärberater sollen mit irakischen Sicherheitskräften zwei gemeinsame Operationszentren in Bagdad und in der krdischen Region einrichten und prüfen, wie die USA dem irakischen Militär im Kamp gegen ISIL helfen kann.