"Es wird eh zu viel demonstriert für meinen Geschmack, zumindest in der Zone"

Martin Sonneborn zur Nähe von Politikern zu Medien

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Derzeit steht der Bayrische Rundfunk in der Kritik, weil der eigentlich zur Staatsferne verpflichtete öffentlich-rechtliche Sender dem bayrischen Finanzminister Markus Söder in einer Daily Soap "Politiker Placement" bot. Auch der Privatsender Salve TV offeriert Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow eine aktuelle Kamera. Gegenüber diesen mediterranen Verhältnissen glänzt das ZDF durch vorbildliche Trennschärfe, indem es die Zusammenarbeit mit dem EU-Abgeordneten Martin Sonneborn kategorisch ablehnt. Der jedoch sieht sich vom ZDF geschnitten.

Martin Sonneborn: [Ungefragt] Geschnitten? Nein, ich stelle nur fest, dass das ZDF mit Spitzenpolitikern lediglich im Bereich Fernsehrat zusammenarbeitet. Aber wir haben ja bei Spiegel TV Unterschlupf gefunden, wo unsere Berichte aus Brüssel ein bis zweimal im Monat in einem sehr interessanten Umfeld laufen.

Herr Abgeordneter, Sie haben in einem aufgezeichneten Interview mit fernsehkritik.tv erklärt, dass Sie nur noch in Live-Talkshows gehen. Was hat es mit dieser Aufzeichnungs-Abstinenz auf sich?

Martin Sonneborn: Als ich vor Jahren einmal mit Oliver Welke bei Markus Lanz war, wurde hinterher fast alles rausgeschnitten, was ich gesagt habe; auch die schöne Stelle, an der Lanz die Kinnlade herunterfiel. Das lohnt dann den Aufwand nicht.

Die ARD bietet inzwischen Politikern bzw. Satirikern in den Tagesthemen ein Forum für aufgezeichnete Interviews, die selbst bei groben Schnitzern nicht nachbearbeitet werden. Stünden Sie für ein solches Format zur Verfügung?

Martin Sonneborn: Ja, da würde ich eine Ausnahme machen. Darf ich Udo Voigt mitbringen?

Während Ihrer ZDF-Zeit haben Sie manipulative Schnitte konsequent abgelehnt und stets das ganze Bild gezeigt. Ihre Partei hingegen wurde vom ZDF sogar Link auf http://www.heise.de/tp/artikel/41/41730/1.html. Seit Ihrem Wahlsieg dürfen Sie für das ZDF inzwischen gar nicht mehr tätig sein, obwohl sie einst binnenpluralistisch versuchten, Mitglied bei allen etablierten Parteien zu werden. Hält ZDF-Intendant Bellut nichts von Binnenpluralismus?

Martin Sonneborn: Ich bin gar nicht mehr Mitglied in allen Parteien, nach der Bundestagswahl 2013 bin ich aus der CDU, der SPD, den Grünen, der Linkspartei, der FDP, den Yogischen Fliegern etc. wieder ausgetreten. Mit einer Rundmail übrigens, sämtliche Adressaten offen im Header. Der Text passte zufällig bei allen, ich habe geschrieben, dass ich mich mit ihrer Politik nicht mehr identifizieren kann. Mit Bellut habe ich mich kürzlich in Straßburg bei einer Lobbyveranstaltung unterhalten, aber er mied das Thema Binnenpluralismus. Dafür erklärte er mir, ich müsse Sorge tragen, dass "die Marke Sonneborn" in den nächsten fünf Jahren nicht verblasst. Ich habe höflicherweise nicht erwidert, dass er sich lieber Sorgen machen solle, dass die Marke ZDF in den nächsten fünf Jahren nicht verblasst.

Apropos Interessenkonflikte in Gremien: Die Journalistin Christine Westermann, mit der auch Sie kontroverse Berührung hatten, war Mitglied der fünfköpfigen Jury zum Unwort des Jahres, die jüngst den Begriff "Lügenpresse" kürte. Sehen Sie Politiker in der Jury unterrepräsentiert?

Martin Sonneborn: Nein. Politiker sollten ihre Arbeit machen und sich ansonsten zurückhalten.

Martin Sonneborn. Bild: TobiasK. Lizenz: CC-BY-SA-3.0.

Satiriker wie ein Hitler-Parodist und eine deutsche Bürgerin mit dem ausländisch klingendem Mädchennamen "Spevacek" misstrauen den "DDR-Medien" und gehen daher selbst auf die Straße, um die Bevölkerung zu informieren. Nimmt die Straße als Medium des kleinen Satirikers an Bedeutung zu?

Martin Sonneborn: Satire hat einen moralischen Anspruch und einen aufklärerischen Impetus, insofern würde ich diese Pegida-[von der Redaktion zensiert] nicht als Satiriker bezeichnen. Die Satire hat es im Moment eh schwer genug, bei all den Chefredakteuren, die sich seit Paris schützend vor sie werfen.

"Wir haben schon gegen Demonstrationen demonstriert, aber es hat nicht geholfen"

Auch Sie sind demonstrationserprobt und wollten anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz auf die Straße. Welche Haltung genau vertreten Sie und Ihre Mitstreiter?

Martin Sonneborn: Ich muss Sie enttäuschen, ich demonstriere lediglich bei modernen iDemos. Es wird eh zu viel demonstriert für meinen Geschmack, zumindest in der Zone. Wir haben schon gegen Demonstrationen demonstriert, aber es hat nicht geholfen.

Gerade die Vertreter der Rüstungsindustrie werden in Satire-Sendungen im deutschen Fernsehen häufig einseitig dargestellt, etwa als zynische Profiteure, die vom Töten anderer leben. Sollten auf Glaubwürdigkeit bedachte TV-Intendanten dafür sorgen, dass sich TV-Satiriker solchen Randgruppen öffnen, wie es die Satiriker in privaten Printmedien vormachen?

Martin Sonneborn: Ich schaue so gut wie kein Fernsehen, aber mir ist nicht bekannt, dass deutsche Waffenhersteller in einer ihrer Sache angemessenen Weise thematisiert würden. Und wenn Sie sehen, was deutsche Waffenlieferungen nach sich ziehen, ist das ein Skandal. Deswegen habe ich im EU-Parlament ja auch eine Initiative gestartet, die vielzitierte Gurkenkrümmungsverordnung auch für Exportwaffen einzuführen, mit 2 Zentimeter vorgeschriebener Krümmung auf je zehn Zentimeter Lauf. Auch die saudiarabische Prügelstrafe finde ich nach jedem Bericht über Heckler&Koch und Kraus-Maffei Wegmann interessanter.

Sie informieren in der Zeitschrift Titanic aus der Ich-Perspektive über ihre parlamentarische Tätigkeit als EU-Abgeordneter. Würden Sie auch ihren etwas schrägen Sitznachbarn im Parlament wie Frau von Storch oder Herrn Lucke Platz zu unredigierter Selbstdarstellung zubilligen?

Martin Sonneborn: Unredigiert? In Titanic? Niemals!

Würden Sie es akzeptieren, wenn ein Mitglied Ihrer eigenen Partei Sie in einem scheinbar seriösen Medium wie Telepolis interviewt?

Martin Sonneborn: Selbstverständlich. Das ist immer noch zumindest graduell seriöser als wenn ich mich hier selbst interviewen müsste.

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