Indien: Google, Facebook und Co. müssen für Gläubige anstößige Inhalte entfernen

Während die Klage eines Muftis die Zensurbestrebungen der Regierung umsetzt, sollen indische Minister der Hindu-Partei BJP während einer Parlamentssitzung Pornos geschaut haben

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Peinlich wurde es für drei Minister des indischen Bundesstaats Karnataka, nachdem das Regionalparlament es zugelassen hatte, dass eine Sitzung gefilmt und live übertragen werden wurde. Ausgerechnet drei Minister der hindu-nationalistischen BJP wurden beobachtet, wie sie angeblich auf einem Smartphone einen Porno anschauten.

Die Minister des Bundesstaats, in dem die für ihre Moralansprüche bekannte BJP an der Regierung ist, traten vorerst zurück, bestritten aber den Vorwurf mit einer doch recht durchsichtigen Erklärung, sie hätten nur einen Film über eine Rave-Party angeschaut, bei der eine Frau vergewaltigt wurde - nur um sich über die Folgen solcher Veranstaltungen zu informieren. Der Telekommunikationsminister Kapil Sibal von der Kongresspartei, die die Bundesregierung stellt, machte sich lustig über die BJP, die politisch und auch anderweitig für Unterhaltung sorge.

Streng will man aber in Indien dennoch sein. So verurteilte ein Gericht im Dezember letzten Jahres Google, Facebook, Microsoft und andere Anbieter, alle "antireligiösen" und "antisozialen" Fotos, Filme und Texte zu entfernen, die religiöse Gefühle von Muslimen, Christen oder Hindus verletzen. Erfolgreich geklagt hatte der Mufti Aijaz Arshad Qasmi aus dem Süden von Delhi. Er ist islamischer Gelehrter, leitet die Islamische Friedensstiftung Indiens und betreibt eine die Website Fatwa Online, auf der er Ratschläge für islamkonformes Verhalten gibt. Die Seite wurde wegen seiner Klage übrigens gehackt. Die Hacker, die gegen die Zensurversuche aus religiösen Gründen protestieren, schrieben unter dem Datum 3.1.2012 eine Nachricht mit dem Titel: "Probably best not to piss the social networking sites off!" Offenbar war der Mufti noch nicht dazu imstande, die Website wiederherzustellen, will aber nun auch hier eine Anzeige machen.

Der Gericht hatte den 6. Februar als Deadline gesetzt. Google India und Facebook India haben erklärt, sie hätten Inhalte auf den indischen Seiten gelöscht, nachdem sie zunächst argumentiert hatten, es sei nicht möglich, alle diese Inhalte herauszunehmen. Aber man beugt sich doch der Macht der Regierung, die das Internet kontrollieren will, um die nationale Einheit in dem Staat zu wahren, in dem es viele verschiedene ethnische Gruppen und Religionen gibt.

Es gehe nicht um Zensur, versichert der Kommunikationsminister Sachin Pilot, es müsse nur alles den Gesetzen des Landes konform gehen. Und Google, Facebook und 20 weitere Dienste würden die Feindschaft zwischen Klassen fördern und Vorurteile nähren, die die nationale Integration gefährden. Im April hatte die indische Regierung ein Gesetz durchgebracht, nach dem jeder Internetcontentanbieter Inhalte innerhalb von 36 Stunden löschen muss, wenn diese ein Internetbenutzer schriftlich verlangt. Das Spektrum ist weit, reicht von Beleidigung über Blasphemie, Pornographie oder Rassismus bis hin zu Copyrightverletzungen und Gefährdungen der nationalen Einheit, und lässt begründet den Verdacht von Zensur entstehen. Eben auf dieses Gesetz hat sich der Mufti berufen, der selbst eine Facebook-Seite hat.

Am Montag ordnete das Gericht die 22 betroffenen Internetanbieter an, innerhalb von 15 Tagen einen Bericht vorzulegen, welche Maßnahmen sie eingeleitet haben, um die anstößigen Inhalte zu löschen oder gar nicht erst online zu veröffentlichen. Der Telekommunikationsminister hat die 22 Internetanbieter aufgefordert, die Inhalte vor der Veröffentlichung zu prüfen. Facebook erklärt, man könne nicht die Server kontrollieren, von denen die Inhalte abgerufen werden. Das Gericht gewährte Aufschub, nachdem viele der Beschuldigten erklärt hatten, sie hätten nicht alle Dokumente erhalten.