Deutscher Verkehrssicherheitsrat will Radfahrer ab 1,1 Promille aus dem Verkehr ziehen

Zusätzlich soll ein neuer Ordungswidrigkeitentatbestand dazu beitragen, schwere Unfälle an Wochenendnächten zu verhindern

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Dass man so viel trinken kann, wie man will, solange man nicht motorisiert unterwegs ist, ist ein weitverbreiteter Irrglaube. Tatsächlich gibt es auch bei Radfahrern eine "absolute Fahruntüchtigkeit", die der Bundesgerichtshof (BGH) derzeit bei Blutalkoholwerten ab 1,6 Promille vorliegen sieht. Dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) und dem Verband Unfallforschung der Versicherer (UDV) ist das nicht genug. Auf dem letzte Woche in Berlin abgehaltenen Symposium Sicherer Radverkehr sprachen sie sich für einen neuen Radfahrer-Alkoholgrenzwert in Höhe von 1,1 Promille aus.

Zusätzlich soll wie bei 0,8 Promille eine Schwelle eingeführt werden, ab der das Fahrradfahren noch nicht als Straftat, aber als Ordnungswidrigkeit gilt und mit Bußgeldern und Verkehrssünderpunkten bestraft wird. Autofahrer begehen derzeit eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie sich mit einem Blutalkoholwert ab 0,5 ans Steuer setzen. Die kostet im Wiederholungsfall bis zu 1500 Euro und bringt zusätzlich ein Fahrverbot ein.

Fällt jemand im Straßenverkehr negativ auf, dann kann bereits ab einem Wert von 0,3 Promille eine strafbare Fahruntüchtigkeit vorliegen. Dies gilt für Auto- und Radfahrer gleichermaßen. Den Rekord für den höchsten bislang in Deutschland bei einem Radfahrer gemessenen Blutalkoholwert hält mit lebensgefährlichen 5,6 Promille ein Mann aus dem bayerischen Coburg, der stürzte und beim Eintreffen der Polizei noch eine Bierflasche in der Hand hielt.

Als Grund für ihre Forderung nennen die beiden Verbände die Unfälle von betrunkenen Radfahrern, die angeblich "dramatisch zunehmen". Die Fahrradstudie Münster, für die Polizei, Versicherer und Kliniken Daten zusammenlegten, ergab 2010, dass besonders viele und schwere Fahrradunfälle an Wochenendnächten geschehen und dass die größte Risikogruppe die 20- bis 29-Jährigen sind. Bei zwölf Prozent der Unfälle wurde die Alkoholisierung des Radfahrers als Ursache ausgemacht. Der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zufolge spielt Alkohol sogar bei jedem vierten Fahrradunfall in Deutschland eine Rolle.

Anderer Meinung als die GdP, die bereits seit Jahren eine 0,5-Promille-Grenze für Radfahrer fordert, zeigte sich bislang der Allgemeine deutsche Fahrrad-Club. Hier argumentierte man teilweise, solch ein Verbot sei "kontraproduktiv", weil KfZ-Besitzer bei einer Verschärfung der Blutalkoholgrenzwerte für Radfahrer gleich das Auto nehmen könnten, wenn sie angetrunken sind. Damit aber würden sie andere Verkehrsteilnehmer stärker gefährden. Allerdings scheint man sich in der Lobbyorganisation zu diesem Thema nicht ganz einig zu sein: So würde beispielsweise Roland Huhn, der Rechtsreferent des ADFC, 1,1 Promille zwar nicht als neuen Strafbarkeits-, aber doch als Ordnungswidrigkeitengrenzwert akzeptieren.

Ähnliche Uneinigkeit wie beim ADFC herrschte unter den etwa 150 Teilnehmern auf dem Symposium von DVR und UDV hinsichtlich einer Helmpflicht für Radfahrer. In dieser Frage verständigte man sich lediglich darauf, offen stehende "normative und technische Fragen" zu klären und bis dahin eine Trageempfehlung auszusprechen. Dies liegt unter anderem daran, dass es zwar bei einem Viertel der Fahrradunfälle Kopfverletzungen gibt, aber umstritten ist, wie viel die derzeit gängigen Sturzhelme Erwachsenen mit voll ausgehärteten Schädeln wirklich schützen.

Mehr Potenzial sieht man in der Herabsetzung der "Regelgeschwindigkeit" in Ortschaften von 50 auf 30 Stundenkilometer. Die Maßnahme, die nicht nur Autofahrer, sondern auch den fitteren Teil der Radfahrer betreffen würde, soll deshalb "ernsthaft geprüft" werden. Außerdem soll die Polizei dem Willen der beiden Verbände nach besonders an Unfallschwerpunkten häufiger Kontrollen von Radfahrern durchführen und Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung konsequenter ahnden. Radwege mit zwei Richtungen lehnt man dagegen einhellig ab, weil sie nach Ansicht der Experten dem für viele Unfälle verantwortlichen Problem der "Geisterradler" weiter Vorschub leisten.

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