CSU verschanzt sich hinter unsinnigem Betreuungsgeld

Auf einem Nebenschauplatz könnte der Zusammenhalt der Koalition platzen, die Diskussion um die Herdprämie zeigt die Untiefen der Parteipolitik

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Wie Parteienpolitik funktioniert, sieht man auch an eher abseitigen Themen wie der Herdprämie, auch Betreuungsgeld genannt. Bislang hat die Regierungskoalition alle Hürden irgendwie überstehen können, auch wenn sie landespolitisch baden ging, aber möglicherweise wird nun das scheinbar harmlose Betreuungsgeld zu einer Gefahr für den Zusammenhalt, während man bei den großen Themen wie der Euro-Rettung diesen noch wahren konnte.

Irgendwann kamen konservative Unionspolitiker, vornehmlich aus der CSU, darauf, ihrer Klientel auch etwas familienpolitisch zugutekommen zu lassen. Es gibt nicht nur weiterhin zu wenige Kita-Plätze, im Bürgertum gibt es auch die Ideologie, dass Kinder am besten bei Muttern - die Väter sind ja in der klassischen Arbeitsteiligkeit nicht verfügbar - aufwachsen. Die können es sich zwar in aller Regel leisten, nicht arbeiten zu gehen und ihre Emanzipation dem Kindeswohl zu opfern, aber sie sollen doch dafür auch was vom Staat erhalten, selbst wenn das Einkommen der Familie das in keiner Weise rechtfertigt. Das heißt dann Wahlfreiheit, die bar bezahlt wird.

Im Koalitionsprogramm von Union und FDP steht also: "Um Wahlfreiheit zu anderen öffentlichen Angeboten und Leistungen zu ermöglichen, soll ab dem Jahr 2013 ein Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro, gegebenenfalls als Gutschein, für Kinder unter drei Jahren als Bundesleistung eingeführt werden." Und daran möchte der bayerische Regierungschef Seehofer nicht rütteln lassen, um sich nicht noch mehr in angekündigten und flugs überschrittenen roten Linien zu verheddern. CSU-Generalsekretär Dobrindt meint, die "Agitation" gegen das Betreuungsgeld "vergifte" das gesellschaftliche Klima in Deutschland, und kommt zu einer eigenartigen Wendung: "Hunderttausende von Hauptschul-Absolventen oder Zuwanderern werden von Betreuungsgeld-Gegnern als 'bildungsferne Schichten' verhöhnt, deren Kinder deshalb unbedingt in eine staatliche Krippe gehörten. Das ist falsch, verletzend und herabwürdigend."

Zwar war wohl allen klar, dass das Betreuungsgeld weniger für die Unionsklientel selbst interessant ist, wohl aber für die Geringverdiener, aber gleichwohl bewegte man sich mit ihm auf der Höhe des Kalten Kriegs und verteidigte die Freiheit des Bürgertums mit der glücklichen Frau am Herd gegen staatliche Erziehungsprogramme. Kitas erinnern ja auch an die DDR. Anstatt das Geld in den dringend benötigten Ausbau von Kitas oder in die Anstellung von Erziehern auch zukunftsfähig zu investieren, so dass vor allem Kinder von bildungsfernen Familien und solchen mit Migrationshintergrund sowie von geringverdienenden und alleinerziehenden Müttern frühzeitig einen Anschluss finden, prämiert man den familiären Einschluss (und damit die möglichen sozialen Folgeprobleme), blockiert den sowieso stockenden Ausbau der Kitas, verschärft den Personalmangel und feiert eine Familienideologie, die mit der Realität der meisten nichts mehr gemein hat.

Möglicherweise soll denen, die keinen Kita-Platz erhalten, obgleich sie ihn wollen, der Mangel mit dem Erziehungsgeld von zunächst 100 und dann 150 Euro monatlich etwas schmackhafter gemacht werden. Eingeführt werden soll das Erziehungsgeld im Sommer 2013 nicht nur kurz vor den Bundestagswahlen, sondern auch zu dem Zeitpunkt, an dem der Rechtsanspruch greift, der sich mit dem Erziehungsgeld noch viel weniger erfüllen lässt.

Im Geschiebe und Interessensausgleich kam jedenfalls das Betreuungsgeld ins Koalitionsprogramm und soll nun trotz vernünftiger Kritik auch aus den Reihen der CDU und FDP durchgeboxt werden. Da geht es nicht um die Sache, sondern um Ideologie, ums Prinzip und vor allem ums koalitionäre Kräftemessen. Dass angesichts solcher Partei- und Machtspielchen, bei denen statt der erst einmal anvisierten 1,2 Milliarden wohl eher 2 Milliarden Euro jährlich (!) oder mehr verbrannt werden, der Unmut wächst, sollte nicht verwundern.

Die FDP führt nun auch verfassungsrechtliche Gründe für eine Ablehnung ein. Familienministerin Schröder, die eigentlich einen Gesetzesentwurf vorlegen müsste, hält sich lieber noch bedeckt und wartet vielleicht ab. Allerdings hat sie gerade eine Studie des Instituts für Deutsche Wirtschaft vorgestellt, durch die die Vorteile der Kinderbetreuung für Alleinerziehende deutlich werden. Das Armutsrisiko könne gesenkt, ein besserer Zugang zum Arbeitsmarkt geschaffen und die Bildungschancen der Kinder verbessert werden. Betreuungsgeld wäre in allen Fällen kontraproduktiv. Bundeskanzlerin Merkel hat sich aber schon mal hinter das Erziehungsgeld gestellt, um die CSU ruhig zu stellen, aber es ist fraglich, ob sie aus der Sache unbeschadet wie bislang immer herauskommen wird.