Ökologisch - konventionell. Was ist gesünder?

Im Vergleich sind Bio-Nahrungsmittel insgesamt weniger belastet

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Abdrift vom konventionellen Nachbarfeld, belastete Böden und Grundwasser - auch Biobauern können nicht mehr garantieren, dass sie völlig unbelastete Nahrungsmittel erzeugen. Im Alltag verwendete Chemikalien durchwandern Nahrungskreisläufe und lagern sich irgendwo an. Oft dauert es Jahrzehnte, bis sie sich zersetzt haben. Kann es in einer Zivilisation, die permanent Abgase aus Autos, Fabriken, Flugzeugen emittiert und Antibiotika, Medikamente, Nitrate ins Grundwasser spült, noch schadstofffreie Lebensmittel geben?

Bio-Lebensmittel können unbelastet sein. So wies Greenpeace in einem Test von 2006 in rund 81 Prozent der konventionellen Frischware Pestizide nach. 87 Prozent der Bio-Proben waren pestizidfrei.

Auch die Stiftung Warentest meint, in 75 Prozent des Bioobstes und -gemüses seien seit 2002 keine Pestizide mehr nachgewiesen worden. Im Test von 2010 schnitten am besten Bio-Vollmilch und Bio-Würzöle ab. Unterschiedlich stark Schadstoff belastet waren Bio-Olivenöle. Auch Bio-Butter-, -Rapsöl und -Apfelsaft schnitten schlechter ab als früher. 91 Prozent der belasteten konventionellen Produkte lagen unter den gesetzlichen Höchstwerten. Die 400 in der EU zugelassenen Pestizide seien nicht gesundheitsgefährdend - schlussfolgert die Zeitschrift Test1.

Umweltorganisationen wie Global 2000 sind skeptischer. Sie warnen vor einer zunehmenden Belastung und vor der Langzeitwirkung von Pestizid-Cocktails im menschlichen Organismus, deren Auswirkungen keineswegs hinreichend erforscht sind.

Öko-Test untersuchte 30 konventionelle deutschen Salate, darunter Eisberg-, Kopf- und Feldsalat. Neun Proben wiesen erhöhte Pestizidwerte auf, nur vier waren rückstandsfrei. Der Wintersalat war wegen übermäßiger Düngergaben im Treibhaus stark mit Nitrat belastet und erreichte damit den erlaubten Grenzwert. Sind die Nitratwerte im Organismus zu hoch, bilden sich krebserregenden Nitrosamine2. Pestizide beeinträchtigen die Fruchtbarkeit und Fortpflanzungsfähigkeit derjenigen, die mit ihnen in Kontakt kommen. So können Frauen, die mit den Giften ständig hantieren, missgebildete Kinder zur Welt bringen .

Grenzwerte für Pestizide

Noch 2008 waren nahezu 700 der EU-weit geltenden Höchstmengen für Pestizide in Obst und Gemüse zu hoch. Bei 570 Grenzwerten von Obst und Gemüse wird die Akute Referenzdosis (ARfD) für Kinder überschritten, insbesondere bei Äpfeln, Birnen und Trauben. Roundup, das meistverkaufte Herbizid überhaupt, enthält Glyphosat, einWirkstoff, der das menschliche Erbgut nachhaltig schädigt. So treten vor allem in Ländern, in denen besonders viel davon ausgebracht wird, öfter Missbildungen bei Kindern auf.

Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUA) fand Glyphosat-Spuren in zwei von 127 Lebensmittel-Proben. Die 37 Proben aus Öko-Erzeugung waren absolut glyphosatfrei. Ein Wirkstoff, der zur Steuerung und Regulierung des Pflanzenwachstums eingesetzt wird und darüber hinaus Fruchtreife und -Färbung beschleunigt, ist Ethephon.

Im Januar 2011 fand ein Greenpeace-Team in Hamburger Discountern Paprika, bei denen der erlaubte Grenzwert von 0,05 mg je Kilo deutlich überschritten war. Auch das CVUA entdeckte Ethephon-Spuren in Paprika. Das Mittel kann Reizungen auf Haut und Schleimhäuten hervorrufen und wirkt in großen Mengen als Nervengift. Übrigens wies Greenpeace in einem Glas Paprika-Gewürz bis zu 22 verschiedene Pestizide nach.

Auch Petersilie und Dill wiesen hohe Pestizidrückstände auf. Das Insektizid Chlorpyrifos wird hierzulande im Obst- und Weinbau aber auch zur Schädlingsbekämpfung in Haus und Garten eingesetzt. Es kann die Gehirne von Ungeborenen sowie schwangere Frauen und kleine Kinder nachhaltig schädigen. Über Spuren in landwirtschaftlichen Produkten gelangt es in die Nahrungsmittel. Die Grenzwerte reichen nicht annähernd aus, um Kinder zu schützen.

Fungizide in Getreide und Wein

Schimmelpilze schwächen das Immunsystem, stören die Blutgerinnung und schädigen Leber und Nieren. Trotz Einsatz von Fungiziden im konventionellen Getreidebau, ist der Fusarien-Gehalt hier nicht unbedingt geringer. In einem Test 2003 in Norwegen an Getreide Fusarium-Gifte wies das Bio-Getreide einen geringeren Mykotoxingehalt auf. 2012 untersuchte das CVUA 21 Proben Kakao auf ihren Gehalt an Mykotoxin Ochratoxin A, das sich vor allem bei unzureichenden Lagerbedingungen bildet. Nur eine konventionelle Probe enthielt - so wie die drei Proben aus Öko-Erzeugung - kein Ochratoxin. Der Mittelwert der anderen Proben lag bei 0,93 µg/kg.

Ein Gläschen Wein am Abend ist gesund. Wenn es Bio-Wein ist vielleicht. Laut Weinbau-Report von Global 2000 wird der bisher zur Pilzbekämpfung eingesetzte Schwefel im europäischen Weinbau immer öfter durch Pestizide ersetzt. Allein zwischen 1993 und 2003 stieg der Verbrauch von synthetischen Fungiziden um 22 Prozent. Es kommen vor allem Morpholine, Strobilurine, Anilide, Carbamate und Phenylpyrrole Fungizide zur Anwendung.

Zeitgleich steigt der Einsatz von Pyrimidinen wie Cyprodinil, Fenarimol und Pyrimethanil um das Dreißigfache. 94 % der Substanzen waren synthetische Fungizide. Ein Drittel davon wurde in den letzten Jahren verstärkt eingesetzt. Belastet waren auch Trauben: Über die Hälfte von 2163 Proben enthielt mindestens ein Pestizid.

Belastete Bio-Lebensmittel

Giftstoffe können über Abdrift oder die Bewässerung in biologisch angebaute Produkte gelangen. Manchmal gelangen auch Pestizide der konventionellen Vorbewirtschaftung aus dem Boden in die darauf folgende Bio-Ernte. 2001 legte der Bundesverband Naturkost, Naturwaren und Handel (BNN) den Orientierungswert von 0,01 mg/kg je Substanz fest. Wird ein Wert gemessen, der darüber liegt, hat der Erzeuger zu klären, woher die Pestizide stammen3.

Eine Schweizer Studie verweist darauf, dass der Wein beim Abpacken oder Transport kontaminiert werden könne, wenn die Verarbeitung von Bio und konventionellen Weinen dicht beieinander liegt, zum Beispiel auf Grund von Rest-Fungiziden im Filter oder im Schlauch. Drei bis vier verschiedene Fungizide im Bio-Wein im Spurenbereich seien keine Seltenheit.

Zudem gebe es langlebige Wirkstoffe wie Cyprodinil und Fludioxonil, von denen mindestens einer in einer Vielzahl von Weinproben unterhalb des Toleranzwertes von 200 μg/kg nachgewiesen wurde. Beide Wirkstoffe würden nur sehr langsam abgebaut.

Bei 878 Proben von konventionellem Frischobst wies das CVUA in 797 Proben Rückstände von 184 Wirkstoffen nach, in 713 Proben sogar Mehrfachrückstände. Bei 32 Proben (3,6 %) wurde die Höchstmenge überschritten. Woher kommen diese hohen Rückstände in unseren Lebensmitteln? Eine Broschüre des Pflanzenschutzdienstes listet seitenweise Pestizide zur Bekämpfung von Kräutern, Pilzen und Insekten auf. Diese Mittel sind behördlich genehmigt.

Illegale Pestizide in der EU

In nahezu allen EU-Ländern sind verbotene Pestizide im Umlauf. In einer Studie von Greenpeace von 2008 waren bei frischen Kräutern und Himbeeren 18 Prozent aller Proben am stärksten mit verbotenen Pestiziden belastet, gefolgt von Feldsalat, Birnen, Rucola und Johannisbeeren. 59 aller gefundenen Wirkstoffe waren in Deutschland verboten und 21 aller Stoffe in der EU. Insgesamt waren die Pestizide aus 199 Proben von insgesamt 2.176 belasteten Proben (9 %) verboten.

Der Handel mit Giften floriert, er bringt den Händlern mehrere Milliarden Euro Gewinn im Jahr. Einer dieser illegalen in Umlauf gebrachten Giftstoffe ist Ethylmethansulfonat (EMS). Es löst Mutationen im Erbgut aus und gilt als Krebs erregend.

Inhaltsstoffe im Vergleich

Bio steht nicht nur für Beikrautregulierung ohne Chemie, sondern auch für organische Düngung mit vielgliedrigen Fruchtfolgen. Das wirkt sich auf die Inhaltsstoffe der Produkte aus. Das Forschungsinstitut Biologischer Landbau (FiBL) wertete sieben Studien aus4, von denen einige in Bio-Produkten mehr Mineralstoffe, höhere Proteinqualität und Vitamingehalt - insbesondere Vitamin C - nachwiesen.

Sie entdeckten darüber hinaus mehr sekundäre Pflanzenstoffe - antioxidativ, antimikrobiell, immunsystemstärkende, entzündungshemmende und krebsvorbeugend wirkende Substanzen - bei Bio-Gemüse sogar um bis zu 50 Prozent. Sie enthielten tendenziell weniger Schwermetalle, dafür mehr Vitamin C. Allerdings wurde weniger Protein und eine niedrigere Proteinqualität in Bio-Weizen gemessen, was sich zwar negativ auf die Backqualität auswirkt, jedoch durch die richtige Sortenwahl ausgeglichen werden kann.

Bio-Obst und Gemüse enthalten mehr Antioxidantien wie Polyphenole. Der um bis zu 20 Prozent höhere Trockensubstanzgehalt in biologisch angebautem Blatt-, Wurzel- und Knollengemüse erzeugt einen intensiveren Geschmack. Der Protein-Gehalt im Weizen nimmt durch intensive Düngung zu, während die Proteinwertigkeit sinkt.

Eine andere FiBL-Studie wies in Bio-Äpfeln einen höheren Phospor- und Phenolgehalt, mehr Fruchtfleischfestigkeit, mehr Nahrungsfaser nach sowie bis zu 65 % mehr Vitalqualität. Keine signifikanten Unterschiede zeigten die Gehalte an Vitamin C, E oder Selen5. Rund 30 Studien bescheinigten laut FiBL-Mitarbeiterin Alberta Velimirov Bio-Lebensmitteln tendenziell mehr Trockensubstanz, einen höheren Vitamin C und Zuckergehalt und mehr Mineralstoffe. So seien die geringeren Nitratgehalte im Boden auf die organische Düngung ohne leicht löslichen Mineraldünger und die organische Ernährung der Bodenlebewesen zurückzuführen.

Stanford in der Kritik

Im September 2012 schlug eine Meta-Studie aus den USA hohe Wellen, die von tausenden Studien 223 näher untersuchte, in denen Nährstoffgehalte bzw. die Belastung mit Bakterien, Pilzen oder Pestiziden miteinander verglichen wurden. In 17 Studien wurden Personengruppen mit unterschiedlicher Ernährung untersucht, allerdings gab es keine Langzeitstudien. Es gebe keinen Unterschied zwischen Bio und konventionell, hieß es.

Das FiBL kritisierte, die Summeneffekte seien zu heterogen dargestellt. Es würden für den Biolandbau untypische Produktionsformen unreflektiert als Referenz für die untersuchten Bioprodukte herangezogen. Und eine kurzfristige Ernährungsumstellung könne keine klinisch relevanten Ergebnisse liefern.

Bei genauem Hinsehen aber bescheinigt die Studie Bio-Lebensmitteln weniger Schadstoffe. Sie enthielten mehr Phosphor. Auch die organische Düngung erhöhe die gesundheitsrelevanten Abwehrstoffe signifikant (in Bezug auf Phenole). Raufutter bei Milchkühen verbessere die gesundheitsfördernde Fettsäuren in der Milch. Biomilch werden höhere Gehalte an Omega-3-Fettsäure und Vaccensäure sowie mehr gesundheitsfördernde Fettsäuren in Muttermilch und Kuhmilch zugestanden.

Fazit

Bio-Nahrungsmittel sind insgesamt weniger belastet als konventionelle. Wenn auch nicht alle eingebrachten Stoffe der Gesundheit schaden - sie summieren sich mit anderen Einträgen aus der Umwelt zu einem riskanten Mix. Um unbelastete ökologische Lebensmittel erzeugen zu können, muss der Eintrag an Schadstoffen in die Umwelt drastisch reduziert werden.