Keine Spur von einer Wasserstoffwirtschaft?

Warum man Brennstoffzellen nicht mit der Wasserstoffwirtschaft verwechseln sollte (Teil I)

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Wenn man an Brennstoffzellen denkt, fällt einem womöglich ein schickes Auto ein, das sich nur durch die Aufschrift NECAR von anderen Autos unterscheidet. Dieses NECAR gibt es seit Jahren. Eine Serienproduktion lässt jedoch auf sich warten - der Hersteller will 2005 ganze 60 Stück bauen. Dabei ist die Brennstoffzelle eine recht alte Technik aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1874 sprach der französische Science-Fiction-Autor Jules Verne vom Wasserstoff als der "Kohle der Zukunft". Heute sagen Skeptiker wie Walter McManus von J.D. Power and Associates: "Wasserstoff ist - und bleibt - die Energie der Zukunft." Der ehemalige Shell-Manager Peter Schwarz glaubt: "Bis 2050 läuft die Welt auf Wasserstoff, jedenfalls soweit, dass man von einem Wasserstoffzeitalter sprechen kann."

Es klingt wie aus einem Märchen: Man gießt Wasserstoff hinein, und heraus kommt Wärme, Strom, und pures Wasser. Die Brennstoffzellen sind die zentralen Instrumente der verheißungsvollen Wasserstoffwirtschaft, die uns aus der bevorstehenden Ölkrise retten könnten. Dabei arbeiten sie nicht nur ohne Emissionen, weshalb sie für Anwendungen wie Gabelstapler besonders interessant sind, auch nahezu geräuschlos.

Wer die Nachrichten verfolgt, dürfte aber skeptisch sein. Seit Jahren redet die Autoindustrie davon, dass in 10 Jahren Serienmodelle mit Brennstoffzellen ausgestattet sein werden. Heute kostet ein solches Auto fast 100.000 US-Dollar und eine Tankfüllung 30 US-Dollar - womit man allerdings lediglich 160 km fahren kann.

Bundeskanzler Schröder macht eine Probefahrt mit dem wasserstoffgetriebenen "F-Cell"-Fahrzeug aus der Mercedes-A-Klasse

Die Anwendungen gibt es also - und sie funktionieren. Könnte die Massenproduktion dazu führen, dass die Kosten sinken? Bei den Brennstoffzellen selbst ist dies vorstellbar, allerdings könnte es bei steigenden Absatzzahlen zu einer Verteuerung mancher Materialien kommen, vor allem beim Platin (Wo kommt der Wasserstoff her?). Und selbst dann bleibt die Frage, wie man den Wasserstoff billig und in großen Mengen produzieren soll. Ohne Treibstoff kommen die Brennstoffzellen auch nicht aus.

Die Frage, ob Autos mit Brennstoffzellen oder schlicht mit Batterien laufen sollten, wenn das Öl knapp geworden ist, verdeutlicht die Debatte beispielhaft. Oft ist die Rede davon, dass der Wasserstoff aus Elektrolyse hergestellt werde könnte. Gerade für ökologisch Gesinnte stellt dies eine interessante Möglichkeit dar, überschüssige erneuerbare Energie zu speichern, z.B. wenn der Wind nachts bei niedriger Stromnachfrage kräftig weht.

Die Bilanz ist jedoch schlecht für Wasserstoff aus Elektrolyse: In Studien wird immer wieder errechnet, dass nur rund ein Viertel der im elektrischen Strom enthaltenen Energie tatsächlich im Brennstoffzellen-Auto verwendet werden kann, wie z.B. Stephen and James Eaves in A Cost Comparison of Fuel-Cell and Battery Electric Vehicles erklären. In einer anderen weit beachteten Studie Carrying the Energy Future: Comparing Hydrogen and Electricity for Transmission, Storage and Transportation stimmen die Forscher Roel Hammerschlag und Patrick Mazza mit Eaves und Eaves überein: Die Verluste bei der Elektrolyse betragen rund 10-15%, eventuell entstehen dann Verluste bei der Komprimierung des Wasserstoffs und schließlich bei der Rückwandlung des Wasserstoffs in Strom durch die Brennstoffzelle, deren Wirkungsgrad unter 50% liegt. Am Ende, so errechnen Hammerschlag und Mazza, stehen dem Anwender von Wasserstoff-betriebenen Brennstoffzellen lediglich 25% der Energie zur Verfügung. Zum Vergleich: Wird Strom in Lithuim-Batterien gespeichert, steht rund 90% der Energie zur Verfügung. Es ist also sinnvoller, die Energie aus Strom in Batterien zu speichern, als in Wasserstoff umzuwandeln.

Deshalb weisen Studien immer wieder daraufhin, dass es sinnvoller wäre, in Hybrid-Autos wie Prius zu investieren statt in Brennstoffzellen-Autos. Eine MIT-Studie findet z.B. größeres Potenzial in der Entwicklung von Diesel-Hybrid-Motoren, die bis 2020 doppelt so effizient als Brennstoffzellen-Autos sein können.

Das hindert manche Firmen nicht daran, die Machbarkeit von "solarem Wasserstoff" beweisen zu wollen. So wird z.B. am VW-Technologiezentrum Wasserstoff aus einer 50m2 großen PV-Anlage für eine Tankstelle gewonnen. Die ganze Anlage produziert rund 25m3 Wasserstoff, also etwa genug, um 200 km zu fahren. Es darf also nicht mehr als ein Auto pro Tag dort tanken. Wenn man mit einbezieht, dass dieser Wasserstoff die Energie aus dem bereits teueren Solarstrom noch viermal teurer macht (75% Verluste), so scheint VW hier beweisen zu wollen, dass der solare Wasserstoff aus Elektrolyse eine Schnapsidee ist. Marktreif soll die Idee hinter diesem Pilotprojekt 2015 sein..

Damit ist nicht gesagt, dass Elektrofahrzeuge immer besser als Brennstoffzellenautos sein müssen. Wasserstoff könnte man in wenigen Minuten tanken, während es Stunden dauert, um Batterien zu laden. Außerdem spielen andere Aspekte eine Rolle bei mobilen Anwendungen: Gewicht, Sicherheit, Reichweite, usw. Aber in der Energiebilanz haben zur Zeit Elektroautos und Hybridautos die Nase vorne.

Eine weitere einfache Rechnung macht auf Bundesebene deutlich, dass es keinen Sinn ergibt, Wasserstoff für die Speicherung von "überschüssigem" Strom zu verwenden. Zur Zeit wird rund ein Drittel der Energie in Deutschland in Fahrzeugen verwendet. Wollte man alleine diese Energie durch Elektrolyse bereitstellen, müsste man die Kapazität deutscher Kraftwerke nicht nur verdoppeln, sondern (wegen des oben beschriebenen niedrigen Wirkungsgrads von 25%) glatt vervierfachen. Gleiches gilt für andere Länder:

To fill all the cars in the US [with hydrogen via electrolysis] would require four times the current capacity of the national grid.

George Monbiot

Während also daran geforscht wird, wie man Wasserstoff durch erneuerbare Energien in Insellösungen gewinnen kann, zum Beispiel durch Windenergie, halten Skeptiker dagegen, dass es sinnvoller ist, die Windenergie als Strom zu verwenden, denn man verliert sonst rund 3/4 der Energie. Außerdem sind wir fast überall weit entfernt davon, zu viel erneuerbare Energie zu haben.

"Schwarzer" Wasserstoff

Viele reden vom Wasserstoff als einer sauberen Energiequelle, doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Wie wir oben gesehen haben, ist Wasserstoff wie Strom ein Energieträger (auch "sekundäre Energie" genannt): beide müssen aus einem vorgelagerten Energieträger erst gemacht werden. Wird der Wasserstoff aus Strom gewonnen, ist er gewissermaßen eine "tertiäre" Energie.

Heute wird Wasserstoff außerdem meistens nicht etwa durch überschüssige erneuerbare Energien produziert, sondern aus Erdgas und Kohle. Die Zukunft der Wasserstoffwirtschaft beginnt also mit heutigen fossilen Energien. Das muss aber nicht dazu führen, dass wir noch mehr fossile Energiequellen verbrauchen, denn Brennstoffzellen können Energiequellen anzapfen, die sonst ungenutzt blieben: Grubengas, Methan aus Biomüll, usw.

Wichtig dabei ist, sich von momentan unrealistischen Vorstellungen zu lösen. Der Wasserstoff kann irgendwann eine saubere Energiequelle sein, aber bis dahin muss die Entwicklung so vorangetrieben werden, wie es zweckmäßig ist. Das bedeutet mittelfristig einen Abschied von Träumen, in denen jeder sein Kraftwerk zur Arbeit fährt, dort in die Steckdose einsteckt und Strom ins Netz speist. Oder wie US-Energieexperte Amory Lovins sagt:

The hypercar fleet will eventually have five to six times the generating capacity of the national grid.

Möglicherweise können unsere Autos irgendwann dank Wasserstofftechnik als Notstromgeneratoren doubeln, was auf jeden Fall nützlich wäre, da unsere Autos fast den ganzen Tag nutzlos herumstehen. Aber Lovins erklärt uns nicht, woher er soviel Wasserstoff nehmen will.

Die Brennstoffzelle muss jedoch keine Träumerei bleiben. Aktuelle Entwicklungen zeigen, wo es lang geht. Nicht immer deckt sich die Wissenschaft mit dem Hype. Im nächsten Beitrag ist dies das Thema.

Craig Morris übersetzt bei Petite Planète.