Österreich: Flüchtlingspolitik mit zweierlei Maß

Was mit afghanischen Schutzsuchenden falsch gemacht wird, zeigt sich besonders daran, was bei ukrainischen Kriegsflüchtlingen richtig gemacht wird

Der Jahresbericht von Amnesty International sowie der Demokratiereport 2022 des V-Dem Instituts der Universität Göteborg werfen kein gutes Licht auf Österreich.

In Letzterem wird zwischen vier unterschiedlichen Regierungsformen unterschieden: Closed Autocracy ("geschlossene Autokratie"), Electoral Autocracy ("Autokratie mit Wahlen"), Electoral Democracy ("Demokratie mit Wahlen") und Liberal Democracy ("liberale Demokratie"). Die Autoren des Reports stuften die Länder Österreich, Ghana, Trinidad und Tobago sowie Portugal von "Liberal Democracy" zu "Electoral Democracy" herab. Im Fall von Österreich notiert der Bericht einen Rückschritt, was die Transparenz der Durchsetzung politischer Entscheidungen anbelangt.

Im Bericht von Amnesty International hingegen wird unter anderem auf Rückschritte in Sachen Pressefreiheit eingegangen. Konkret wird auf die strafrechtliche Verfolgung von Julian Hessenthaler eingegangen, dem Drahtzieher des Ibiza-Videos, das den politischen Niedergang des österreichischen Ex-Vizekanzlers Heinz-Christian Strache herbeiführte und verantwortlich war für die Beendigung der Regierungskoalition im Jahr 2019 zwischen ÖVP und FPÖ.

Kürzlich wurde Hessenthaler von einem Gericht zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Ibiza-Video spielte bei dem Prozess keine Rolle. Hessenthaler wird vorgeworfen, 1,25 Kilogramm Kokain verkauft zu haben, was er selbst jedoch vehement abstreitet. Das Urteil des Richters ist noch nicht rechtskräftig und Hessenthalers Anwalt hat verkündet, dagegen ankämpfen zu wollen.

Bei der strafrechtlichen Verfolgung, die Amnesty als "unverhältnismäßig" anführt, dürfte es jedoch nicht um den besagten Vorwurf des Drogenhandels gehen, sondern um die illegale Herstellung des Videomaterials auf Ibiza. Denn immerhin deckte dies die korrupten Machenschaften Straches erst auf.

Ein weiterer Punkt, der im Amnesty-Bericht angeführt wird, überschneidet sich mit der Kritik des Demokratiereports. Bereits 2020 haben sich die Regierungskoalition (ÖVP und Grüne) das Ziel gesetzt, das Recht auf Informationsfreiheit zu stärken.

"Eine transparente Verwaltung und nachvollziehbare Entscheidungen sind maßgeblich für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in einen funktionierenden Staat", hieß es damals noch von Verfassungsministerin Karoline Edelstadler (ÖVP).

Das Informationsfreiheitsgesetz hatte unter anderem das Ziel, das Amtsgeheimnis abzuschaffen, doch seit über einem Jahr hat sich in dieser Sache nichts getan.

Femizide

Laut dem Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) gab es im Jahr 2021 in Österreich mindestens 31 Morde an Frauen. Der Amnesty-Bericht bemängelt, dass die Behörden trotz der stetig hohen Zahl an Femiziden keine ausreichenden Mittel bereitstellten, um den Zugang zu Unterstützungsleistungen für Frauen zu verbessern.

Verheerende Folgen hat dies gerade in Zeiten der Pandemie. Denn meistens findet die gezielte Gewalt gegenüber Frauen in der eigenen Familie statt und der Täter ist sehr häufig der (Ex-)Partner. Man kann sich vorstellen, wie unerträglich die Zeit für eine von Gewalt bedrohte Frau während des Lockdowns ist, die praktisch keine Möglichkeit hat, von dieser zu entkommen.

Österreichische Asylpolitik

Auch nachdem die Taliban die afghanische Hauptstadt Kabul binnen weniger Stunden im vergangenen Sommer eingenommen hatten, beharrte der damalige Innenminister Karl Nehammer (seit Dezember 2021 amtierender Bundeskanzler) darauf, weiterhin afghanische Flüchtlinge abschieben zu wollen.

Amnesty führt an, dass zwischen Januar und August 64 afghanische Staatsangehörige nach Afghanistan abgeschoben wurden.

Kritisiert wird auch, dass die österreichische Regierung keine Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufnehmen will (und diesen Kurs bis dato fortsetzt).

Anders sieht dies bei der Behandlung von ukrainischen Flüchtlingen aus, die wegen der russischen Invasion fliehen mussten. Diese haben vorerst ohne jegliche bürokratischen Komplikationen ein einjähriges Aufenthaltsrecht erhalten und dürfen in Österreich auch gleich arbeiten, während Fluchtsuchende aus Afghanistan, Syrien oder anderen Ländern zum Teil seit Jahren auf einen positiven Asylbescheid warten.

Die österreichische Flüchtlingspolitik ist gekennzeichnet durch eine unübersehbare Doppelmoral, die von Xenophobie geprägt ist. Während Nehammer aktuell in der Ukraine Präsident Selenskyj einen Solidaritätsbesuch abstattet und ein deutliches Zeichen für das ukrainische Volk setzt, gab es nicht einmal einen Funken der Solidaritätsverkündung mit Afghaninnen und Afghanen im vergangenen Sommer.

Ganz im Gegenteil: Diese will man weiterhin nicht im Land haben, obwohl sie in ihrer Heimat weiterhin Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind.