Drei Kündigungen in Folge: Warum will die Gewerkschaft Verdi diesen Mann loswerden?

Orhan Akman hat erfolgreich Streiks organisiert und Arbeitnehmer vertreten. Nun liegen bei ihm drei Kündigungen auf dem Tisch. Ist er ein Querulant oder geht es um Vetternwirtschaft?

Eine Arbeitnehmervertretung, die einen führenden Mitarbeiter mit gleich mehreren Kündigungen loswerden will? Auch wenn das unwahrscheinlich klingt, sorgt ein solcher Fall gerade medial für Aufmerksamkeit. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi geht dabei in einen offenen Konflikt mit dem ehemaligen Bundesfachgruppenleiter Handel.

Am 19. August hat der Verdi-Bundesvorstand Orhan Akman aller Ämter enthoben, vergangene Woche sind dem Gewerkschafter gegenüber insgesamt drei Kündigungen ausgesprochen worden. Dies berichtet er selbst auf Twitter.

Der Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft mache sich lächerlich, so Akhan auf Twitter: "Heute hatte ich binnen paar Tage die Anhörung in unserem Verdi–Betriebsrat zu meiner dritten fristlosen Kündigung, diesmal eine ‚Verdachtskündigung‘!", schrieb Akhan weiter. Er werde sich dagegen "rechtlich und politisch" zur Wehr setzen.

Vor der Entscheidung des Bundesvorstandes hatte der Bundesfachbereichsvorstand Handel von Verdi festgestellt, dass zu Akman kein Vertrauensverhältnis mehr besteht und eine gemeinsame Zusammenarbeit nicht mehr vorstellbar ist, zitiert das Portal Labournet aus einer Stellungnahme der Gewerkschaft.

Hintergrund des aktuellen Machtkampfes ist Akmans Kandidatur für den Verdi Bundesvorstand, seine Kritik an der aktuellen Gewerkschaftsführung und öffentliche Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen Verdi-Funktionäre.

Akman vertritt die Ansicht, dass Verdi in einer tiefgreifenden Krise steckt. Die Mitgliederzahl sinke, die Gewerkschaft ziehe sich aus der Fläche und damit "aus der Betreuungsarbeit in den Betrieben" zurück, sagte er der Tageszeitung junge Welt.

Der Bundesvorstand habe sich von der ehrenamtlichen Basis entfernt und sich immer mehr aus dem Kerngeschäft einer kämpferischen Gewerkschaft verabschiedet. Akman fordert: "Diejenigen, die das zu verantworten haben, müssen einpacken und gehen."

Tatsächlich ist der Mitgliederschwund bei der Dienstleitungsgewerkschaft dramatisch. In den vergangenen 20 Jahren hat die Verdi fast eine Million Mitglieder verloren. Das Statistik-Portal statista.de weist die Mitgliederzahl im Jahr 2001 mit 2.806.496 aus, im Jahr 2021 waren es demnach noch 1.893.920 Mitglieder.

Labournet zitiert aus dem Portal vorliegenden Unterlagen zum Verfahren, laut derer Akman "gewerkschaftsschädigendes Verhalten" und "üble Nachrede und Rufschädigung" vorgeworfen wird. Kritisiert wird demnach, dass "Beschlüsse und Internas wieder und wieder in der Presse zu finden sind".

Hintergrund sind Veröffentlichungen des Portals Business Insider über den Verdacht der Vetternwirtschaft bei Verdi. Einem Bericht zufolge sollen Ehepartner von Verdi-Funktionären lukrative Aufträge erhalten haben. Eine davon ist Silke Zimmer.

Sie soll für die Bundesfachgruppe Handel im kommenden Jahr in den Bundesvorstand einziehen und hat für die Kandidatur bei einer Abstimmung im ehrenamtlichen Bundesfachbereichsvorstand Handel 20 Stimmen erhalten – Akman hingegen bekam keine Stimme.

Verdi widerspricht gegenüber Labournet den Vorwürfen der Vetternwirtschaft. Die Beauftragung der Fremdfirmen sei offen und transparent erfolgt:

Die Beteiligten wussten, wer die jeweiligen Inhaber bzw. Mitinhaber der Firmen sind. Darüber hinaus achtet die Revision sehr genau darauf, dass die Aufträge zu marktüblichen Preisen – oftmals liegen sie auch darunter – vergeben werden, und das sorgsam mit Mitgliedsbeiträgen umgegangen wird.

Akman hingegen fordert die Freistellung aller beteiligten Funktionäre, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die Gewerkschaft zum "Selbstbedienungsladen" für Funktionäre verkomme, sagte er gegenüber der Lebensmittelzeitung.

Akman kündigte an, dass er auf Wiedereinstellung klagen werde. Parallel ruft er zur Unterzeichnung einer Petition auf Change.org auf, die die sofortige Rücknahme der Kündigungen fordert. Unter anderem werden dabei auch einige der Aktivitäten des Gewerkschafters in den vergangenen Jahren aufgelistet.

Unter anderem leitet und koordiniert er demnach seit Jahren bundesweit die Streiks und Aktionen bei Amazon und hat die Sanierung und dem Erhalt von Galeria Karstadt Kaufhof von Gewerkschaftsseite maßgeblich vorangetrieben. Außerdem habe er unter anderem eine "positive Rolle in den Debatten sowie bei den Aktionen und Streiks für zukunftsweisende Digitalisierungstarifverträge bei Ikea und H&M" gespielt und sich in der internationalen Gewerkschaftsbewegung engagiert.

Dieser Text erscheint in Kooperation mit dem Magazin hintergrund.de.