LNG-Streit auf Rügen: Touristiker und Klimaschützer formieren Protest

Energiekonzern RWE will sich vom Projekt zurückziehen. Ostseebad Binz bereitet juristische Schritte vor. Warum die Bundesregierung dennoch an den Plänen festhält.

Die Bundesregierung will vor der Insel Rügen ein Importterminal für Flüssiggas (LNG) errichten, doch die Probleme reißen nicht ab. Die Bürger begehren gegen das Projekt auf und bangen um den Tourismus auf Rügen. Nun hat auch noch der Energiekonzern RWE nach Informationen des Spiegels erklärt, dass er sich von dem Projekt zurückziehen wolle.

RWE hatte dem Bericht zufolge bereits mit der Planung begonnen, schickte zwei Spezialschiffe los, um den Meeresboden zu erkunden, und wurde bei der Landesregierung und bei Bürgermeistern vorstellig. Es sollte das bislang größte LNG-Terminal in Deutschland werden, mit dem rund 38 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr importiert werden könnte.

Im März hatte RWE-Chef Markus Krebber die Rolle seines Unternehmens bereits bescheidener gesehen: Man sei ein möglicher Dienstleister beim Aufbau von Infrastruktur. Jetzt erklärte RWE nach Spiegel-Informationen, dass man LNG-Infrastruktur generell nicht dauerhaft betreiben wolle. Stattdessen gehe man davon aus, das Geschäft absehbar an andere Akteure übergeben zu können.

Die Frage ist allerdings noch offen, ob die Pläne für das LNG-Terminal damit in Gefahr sind. Auf Rügen formiert sich indessen weiterhin der Widerstand gegen das Projekt – und führte nun zu einem handfesten Streit im Tourismusverband Rügen.

Der Verbandsvorsitzende Knut Schäfer hatte sich bei einem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) offen für ein LNG-Terminal gezeigt. Als Konsequenz trat inzwischen das Ostseebad Binz als größte touristische Gemeinde aus dem Verband aus, berichtete der NDR kürzlich. Auch mehrere große Hoteliers sollen dem Beispiel gefolgt sein. Das Ostseebad Binz plant inzwischen auch, juristisch gegen das LNG-Projekt vorzugehen.

Die Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future will sich jetzt auch dem Widerstand gegen das LNG-Projekt anschließen. Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer kündigte laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) für Sonntagnachmittag im Ostseebad Binz eine Protestaktion an. "Die Ampel plant, gewaltige LNG-Überkapazitäten zu schaffen", sagte sie am Donnerstag. Das drohe nicht nur, als leere Investition zu enden, sondern damit würden die deutschen Klimaziele in der Ostsee versenkt.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte das Projekt erst kürzlich verteidigt. Am Mittwoch sagte er laut dpa, das neue Terminal sei notwendig, weil Deutschland die Energiekrise noch nicht überwunden habe. Von Überkapazitäten wollte er nichts wissen, sondern sprach stattdessen von einem "Sicherheitspuffer", der immer eingeplant werden müsse.

Diese Pläne stießen nicht nur bei Klimaschützern und Bewohnern von Rügen auf Kritik, sondern auch in der Regierungskoalition. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak etwa hatte Anfang März gegenüber dem Handelsblatt erklärt: "In den aktuellen Plänen der Bundesregierung gibt es so große Sicherheitspuffer, dass die Gefahr fossiler Überkapazitäten droht – mit großen ökologischen und ökonomischen Risiken".

Die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines spielen eine herausragende Rolle bei den Plänen für den Sicherheitspuffer. Der Finanzdienst Bloomberg berichtete nun, dass Olaf Scholz weitere Angriffe auf Unterwasserinfrastruktur für möglich hält. Auch Habeck hätte Anfang der Woche bei einer Veranstaltung betont: "Wir müssen damit rechnen, dass wieder etwas passiert".

Konkret geht es um die Gasleitung von Norwegen nach Deutschland. Das skandinavische Land ist im vergangenen Jahr zum größten Gaslieferanten Deutschlands geworden. Ende 2022 stammte etwa ein Drittel des deutschen Gasimports aus Norwegen. Sollte die Leitung jetzt auch noch beschädigt werden, so die Befürchtung, dann wäre die Energiesicherheit Deutschlands gefährdet.

Doch die Importinfrastruktur allein dürfte in diesem Fall nicht ausreichen, um die Energieversorgung in Deutschland zu sichern. Es müssten auch entsprechende LNG-Mengen auf dem Weltmarkt verfügbar sein. Doch davon ist nach dem aktuellen Stand der Dinge nicht auszugehen.

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