36 Jahre nach Tschernobyl
Zum Jahrestag der Reaktorkatastrophe warnen Umweltschützer vor einer Wiederbelebung der Atomkraft
Am 26. April jährt sich die schwere Reaktorkatastrophe im ukrainischen Tschernobyl zum 36. Male. Bei Routinearbeiten und einigen Tests mit der Anlage des Block 4 war es zu einer folgenschweren Pannenserie gekommen, die schließlich in den frühen Morgenstunden zur Explosion des Reaktorbehälters und der Freisetzung großer Mengen radioaktiven Materials führte.
In der Umgebung des Kraftwerks kam es bis ins benachbarte Weißrussland hinein zu zahlreichen Erkrankungen bei Anwohnern. In welchem Ausmaße genau, das ist bis heute nicht richtig geklärt, da auch die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, sowohl die neuen Freunde des Westens als auch deren Gegenspieler, wenig Interesse an einer Aufarbeitung haben.
Die radioaktiven Spaltprodukte aus dem Reaktor wurden jedenfalls weit verteilt. Bis nach Skandinavien und Mitteleuropa trugen sie wechselnde Winde. Auch heute noch ist in Oberschwaben ein Teil des in den dortigen Wäldern erlegten Schwarzwildes wegen zu hoher Konzentrationen radioaktiven Cäsiums nicht zum Verzehr geeignet.
Die Anlage ist unweit von Kiew gelegen und heute von einer entvölkerten Sperrzone umgeben. Die drei verbliebenen unbeschädigten Reaktorblöcke werden dennoch weiter betrieben. Wie berichtet, wurde das AKW von den angreifenden russischen Truppen im März zeitweilig besetzt, später jedoch den ukrainischen Behörden zurückgegeben.
Die deutsche Anti-Atominitiative "ausgestrahlt" warnt derweil aus Anlass des Jahrestags gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vor einer Wiederbelebung der Atomkraft. Weder alte noch neue Atomkraftwerke hätten einen Platz in der Energiewende haben.
Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl und zuletzt der Krieg in der Ukraine zeigen, dass Atomkraftwerke eine nicht beherrschbare Gefahr für Mensch und Natur darstellen. Insofern sind die Rufe konservativer Politiker nach einer Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke extrem kurzsichtig, rückwärtsgewandt sowie in Zeiten wachsender Instabilität in Europa verantwortungslos.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH
Der Blick nach Frankreich zeige, dass es mit der Versorgungssicherheit nicht weit her ist, wenn Strom vor allem mit AKW produziert wird. Wegen Reparaturen oder mangelndem Kühlwasser abgeschaltete Meiler sorgen zudem für hohe Strompreise.
Der beschlossene Atomausstieg sei daher die richtige Entscheidung. Die Energieversorgung müsse mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energieträger bewerkstelligt werden.
Dass neue Generationen von Atomkraftwerken die alten Risiken und Probleme dieser Technologie reduzieren oder gar beheben könnten, sei ein Mythos. Die vermeintlich neuen Konzepte seien bereits Jahrzehnte alt und würden massive Sicherheitsprobleme aufwerfen.
Zudem bleiben die Probleme des hoch radioaktiven Mülls, für die es noch immer kein sicheres Endlager gibt. Schließlich würde ein Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen, der wegen fehlender Brennstäbe nach Betreiberangaben gar nicht ohne Weiteres möglich wäre, auch Abhängigkeit von russischem Uran bedeuten.
"Die immer wiederkehrenden Atom-Debatten lenken nur vom notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien ab", meint daher Armin Simon von "ausgestrahlt".