49-Euro-Ticket: Teuer, unsozial und kein Klimaticket
Das neue Ticket bremst weder die Inflation noch trägt es zum Klimaschutz bei. Länder bestehen in der Debatte auf Ausbau des ÖPNV. Warum Dieselloks wieder attraktiv werden.
Die Verkehrsminister von Bund und Ländern haben sich am Donnerstag grundsätzlich auf ein Nachfolgemodell des Neun-Euro-Tickets geeinigt: Künftig soll man für 49 Euro im Monat den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in ganz Deutschland nutzen können.
Das Neun-Euro-Ticket hatte eine bremsende Wirkung auf die Inflation – das 49-Euro-Ticket wird sie wohl nicht haben. Ökonomen gehen nicht davon aus, dass es das Zeug dazu hätte, die Inflation in Schach zu halten.
Umweltschützer gehen auch nicht davon aus, dass es eine klimafreundliche Verkehrswende hervorbringen wird. Für sehr viele Menschen in Deutschland sei es zu teuer und werde deshalb weniger Menschen in Bus und Bahn als notwendig wäre, heißt es etwa bei Greenpeace.
Wie das Ticket finanziert werden soll, ist weiter offen. Der Bund hatte zugesagt, einen Nachfolger des Neun-Euro-Tickets mit 1,5 Milliarden Euro zu finanzieren – aber nur, wenn die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen.
Streitpunkt Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur
Die Länder sind wiederum nur bereit, das Ticket mitzufinanzieren, wenn die Bundesregierung die sogenannten Regionalisierungsmittel in Milliardenhöhe anhebt. Mit diesen Geldern soll das ÖPNV-Angebot ausgebaut werden.
Die Notwendigkeit dazu hatten sich gezeigt, als das Neun-Euro-Ticket galt: Die Infrastruktur, Busse und Züge sowie das Personal kamen an ihre Grenzen. Auch der Chef des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, hatte sich im August für weitere Investitionen ausgesprochen.
Das scheint bislang aber nicht geplant zu sein. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Daniel Peters, hat die jüngsten Beschlüsse für ein 49-Euro-Ticket als irreführend und ignorant kritisiert.
In den Städten mit funktionierendem Nahverkehr bringe das Ticket für Nutzer einen sehr überschaubaren Entlastungseffekt, sagte Peters laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) am Sonntag. "Menschen im ländlichen Raum, die keinen funktionierenden ÖPNV vorfinden, werden das Ticket nicht nutzen können, müssen es aber über Steuern mitfinanzieren." Das Ticket bringe eine "Umverteilung von Land nach Stadt".
Sozialverbände und Verbraucherschützer kritisieren teures Ticket
Sozialverbände und Verbraucherschützer kritisierten, das Ticket sei zu teuer und gerade arme Menschen könnten sich die 49 Euro nicht leisten. Davor hatte eine Studie der Technischen Universität Hamburg bereits im Juni gewarnt, aber offenbar wurden ihre Ergebnisse nicht im politischen Diskurs berücksichtigt.
"Der öffentliche Nahverkehr muss für alle erschwinglich sein, unabhängig vom Einkommen", sagte nun die Leiterin für Verbraucherpolitik beim Bundesverband vzbv, Jutta Gurkmann. Soziale Aspekte sollten eine größere Rolle spielen. Insbesondere Empfängern von Transferleistungen, aber auch Geringverdienern ohne staatliche Leistungen, helfe ein 49-Euro-Ticket wenig.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, erklärte am Freitag: Ein 29-Euro-Ticket wäre das bessere Nachfolgemodell gewesen. "So hätten auch Menschen mit wenig Einkommen weiterhin die Möglichkeit, kostengünstig den ÖPNV zu nutzen – sei es, um Familie und Freunde zu besuchen oder wichtige Arzttermine wahrzunehmen."
Auch aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn ist ein 49-Euro-Ticket für einkommensschwache Menschen nach wie vor zu teuer. "Das Prinzip Gießkanne wird damit nicht durchbrochen", sagte der Pro-Bahn-Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann der dpa. Für diese Menschen bräuchte es ein günstigeres Angebot.
Strompreise setzen Bahn unter Druck
Hatte das Neun-Euro-Ticket noch einen kleinen Effekt für den Klimaschutz, so könnte er in den kommenden Monaten verpuffen. Die steigenden Strompreise machen den Betrieb von E-Lokomotiven mitunter teurer als mit fossilen Brennstoffen betriebene Züge.
Darauf hat die Gemeinschaft der Europäischen Bahnen und Infrastrukturunternehmen (CER) am Donnerstag in einem Brief an die Europäische Kommission hingewiesen.
Die steigenden Strompreise für die Eisenbahnen ist ein europaweites Phänomen. Im Durchschnitt hätten sie sich mehr als verdreifacht. In einigen Ländern stiegen sie demnach auf das Zehnfache. Und für das kommende Jahr sei mit weiteren Steigerungen zu rechnen, was den Betrieb der Bahnen noch teurer mache.
Besorgt zeigte sich der Verband auch über die Pläne der Europäischen Union, den Energieverbrauch zu Spitzenzeiten zu senken, mit denen Versorgungsproblemen vorgebeugt werden sollen. Sollte das auf den öffentlichen Verkehr während der Stoßzeiten angewandt werden, dürften die Bahnbetreiber nur wenige Züge fahren lassen.
Der CER fordert deshalb einen Strompreisdeckel für "Dienstleistungen von öffentlichem Interesse". Er würde dazu beitragen, den Anstieg der Fahrpreise zu dämpfen.
Der Staat hätte dann allerdings höhere Kosten für den Bahnbetrieb zu stemmen. Die Mittel für das 49-Euro-Ticket, die von Bund und Länder zur Verfügung gestellt werden, müssten dann auch die Mehrkosten aus dem Strompreisdeckel beinhalten.
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