94.500 Euro Strafe für niederländischen Sender wegen Verbreitung rechten Gedankenguts

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"Ongehoord Nederland" hätte Falschinformation über Umvolkungstheorie und die Stickstoffkrise korrigieren müssen. Im Wiederholungsfall droht Verlust der Sendelizenz

Ongehoord Nederland (ON) ist ein Ende 2019 gegründeter Sender, der sich an "ungehörte Niederländer" richtet. Der Titel ist gleichzeitig ein Wortspiel, da man "ongehoord" auch mit "unerhört" oder "ungeheuerlich" übersetzen kann.

Ende 2020 erreichte er die nötige Anzahl von 50.000 Unterstützern, um in den niederländischen öffentlichen Rundfunk (NPO) aufgenommen zu werden. Im Juli 2021 erteilte Medienminister Arie Slob dann eine vorläufige Zulassung.

Damit stehen dem Sender Fördergelder und Sendeplätze von NPO zur Verfügung. Am 5. Januar 2022 folgte die erste Radiosendung und am 22. Februar die erste Fernsehsendung im öffentlichen Rundfunk.

Affären

Die Gründung von ON war jedoch von Anfang an von Affären begleitet. So wollte einer der Initiativnehmer, Haye van der Heyden, auch Pädophile und Holocaustleugner zu Wort kommen lassen. Doch das führte zu öffentlicher Kritik und ging auch dem Vorsitzenden des Senders, Arnold Karskens, zu weit. Van der Heyden trat darauf zurück.

Im November 2021 berichtete dann die Tageszeitung NRC, ein Mitglied aus dem Aufsichtsrat von ON, Taco Dankers, verbreite "puren Judenhass". Ihm zufolge würden Israel und die Juden Migration nach Europa fördern, um westliche Gemeinschaften auszudünnen.

Dankers soll auch mit Gefira, einer mit der Identitären Bewegung zusammenhängenden Organisation, zusammengearbeitet haben. Er distanzierte sich zwar öffentlich von Antisemitismus, legte dann aber doch sein Amt nieder.

Kritik

Nach den ersten Sendungen im niederländischen öffentlichen Rundfunk kam es schnell zu Beschwerden. Medienexperten bemängelten insbesondere, dass Gäste von ON Meinungen und Gerüchte als Fakten darstellen würden. Falschdarstellungen werde nicht widersprochen.

Abgeordnete des rechten "Forum voor Democratie" hätten über den Sender suggeriert, Russlands Krieg gegen die Ukraine sei die Schuld des Westens. In Wirklichkeit sei die Nato der Aggressor. Auch über Corona und die geheime Steuerung von Eliten wurden Aussagen getätigt, die viele für Verschwörungstheorien halten. Zur Erinnerung: Dem Vorsitzenden des "Forums" wurden Ende 2021 Vergleiche zwischen dem Holocaust und der Coronapandemie auf Twitter gerichtlich untersagt.

Der Medienexperte Harry Hol vermutete sogar, dass die Fragen der Interviewer solche Aussagen gezielt anbahnen würden, anstatt eine Auseinandersetzung mit den Fakten zu stimulieren.

Die Tageszeitung Trouw verglich ON mit den amerikanischen Fox News und brachte den niederländischen Pressekodex und das Mediengesetz ins Spiel.

Wie gute Pressearbeit aussieht

Auch bei der Ombudsfrau des öffentlichen Rundfunks, Margo Smit, gingen offizielle Beschwerden ein. In ihrem offiziellen Bericht vom 7. Juni äußert sie sich ausführlich dazu, wie gute Pressearbeit zu sein habe:

Ein Journalist vermittelt Fakten und Kontext, zeichnet und deutet Muster.

Ein problematisches Beispiel ist laut der Ombudsfrau die Sendung von ON vom 12. Mai. Zu dieser war der rechte belgische Politiker Filip de Winter eingeladen, der eine rassistische Umvolkungstheorie vertrete. Dass man ihm ein Forum für die Verbreitung seiner Ideen biete, sei nicht das eigentliche Problem. Die Journalisten hätten aber nach Beweisen für dessen Behauptungen fragen müssen.

Ein anderes Beispiel betrifft die Stickstoffkrise, deretwegen wütende niederländische Bauern immer wieder auf die Blockade gehen und Teile des öffentlichen Lebens lahmlegen (Viehzucht oder Umweltschutz? Niederländische Bauernproteste eskalieren). So habe der Präsentator in der 13. Sendung von Ongehoord Nieuws vom 5. April behauptet, die Bauern verursachten die geringsten Emissionen.

Korrekt ist laut der Ombudsfrau das Gegenteil: "Dann vermittelst du entweder als Journalist nachweislich Falschinformationen – oder du hast deine Hausaufgaben nicht gemacht", schlussfolgert sie im Bericht.