Abenteuer Somalia

Der Kampf gegen die Piraten in Somalia könnte in einen Krieg wie in Afghanistan münden und islamistische Gruppen weiter stärken

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Wenn die deutschen Soldaten zusammen mit der EU-Operation Atalanta oder EU NAVFOR und Kriegsschiffen von anderen Nationen die Piraten vor der somalischen Küste bekämpfen, abschrecken und jagen wollen, könnte dies auch zu einem neuen Konflikt werden, der dem in Afghanistan oder im Irak gleicht. Am Freitag hat der Bundestag mit großer Mehrheit die Beteiligung an der militärischen Operation beschlossen. Der UN-Sicherheitsrat hat mit der Zustimmung der somalischen Übergangsregierung, die aber wenig Macht ausübt, am 16. Dezember den ausländischen Militärverbänden auch gestattet, Piraten nicht nur auf See, sondern auch auf dem Land zu bekämpfen (Piratenjagd auch auf dem Land).

Das ist vornehmlich auf Druck der USA geschehen (USA wollen Piraten auch auf somalischem Festland jagen). Die US-Regierung hat Sorge, dass Somalia zu einem neuen Territorium der Islamisten werden könnte. Die Sorge ist keineswegs unberechtigt, aber auch teilweise selbst mitverschuldet. Das seit dem Fiasko in den neunziger Jahren weiter ins Chaos und in die Armut stürzende Land, ein klassischer failed state, gilt auch als Rückzugs- und Rekrutierungsgebiet von al-Qaida.

Ähnlich wie in Afghanistan haben Islamisten, in diesem Fall die Union der islamischen Gerichte, 2006 große Teile des Landes unter sich gebracht, wodurch mit der Herrschaft der Scharia wieder Ruhe und Ordnung hergestellt wurden. In der kurzen Zeit ging auch die Piraterie merklich zurück, ähnlich wie in Afghanistan unter der Herrschaft der Taliban der Opiumanbau abnahm. Um die völlige Machtübernahme der Islamisten und die Schaffung eines islamischen Staates zu verhindern, haben US-Flugzeuge immer wieder angebliche Stützpunkte von al-Qaida bombardiert und Druck ausgeübt, so dass Äthiopien Truppen nach Somalia schickte und die Union der Islamischen Gerichte stürzte. 2006 soll die CIA die Alliance for the Restoration of Peace and Counter-Terrorism, eine Organisation von Warlords und Mitgliedern der Übergangsregierung, unterstützt und finanziert haben, um die Islamisten zurückzudrängen.

Die Anwesenheit ausländischer Truppen hat allerdings den Widerstand und vor allem die radikalen Kräfte gestärkt, die schon wieder Teile des Landes beherrschen und such vermutlich weiter ausbreiten werden, wenn die äthiopischen Soldaten das Land wieder verlassen, was demnächst bevorsteht. Während die Union mit der Übergangsregierung und anderen Gruppierungen in Friedensverhandlungen eingetreten ist, hat sich al-Shahab, deren militanter Teil, vor ihr losgelöst und will nun einen streng islamischen Staat nach dem Muster der Taliban in Afghanistan etablieren.

Die Übergangsregierung beherrscht gerade noch – darin vergleichbar derjenigen von Afghanistan – die Stadt Baidoa und einige Orte in Mogadischu, ansonsten kontrollieren die Kämpfer von al-Shahab Teile der Küste und den Großteil von Mogadischu und kooperieren mit anderen militanten Gruppen wie der Islamischen Front oder Kaanboni. In Mogadischu finden immer wieder Kämpfe zwischen al-Shabab und äthiopischen Soldaten statt, im ganzen Land mehren sich die Kämpfe zwischen verschiedenen Gruppierungen und Milizen um die Vorherrschaft über Städte und Regionen. Auch Anschläge kommen immer öfter vor, ebenso wie Angriffe auf Soldaten der UN-Mission AMISOM und auf die äthiopischen Besatztruppen.

Ob al-Shahab mit Piraten zusammenarbeitet oder mit diesen um die Vorherrschaft oder zumindest um Beteiligung an den Lösegeldern kämpft, ist Gegenstand von Spekulationen (Piraten und Islamisten im "failed state" Somalia). Jedenfalls werden von al-Sahab immer wieder Lastwagen mit Nahrungsmitteln der Welternährungsorganisation (WFP) überfallen und ausgeraubt, vor allem in der südsomalischen Hafenstadt Kismayo, die seit Sommer von den Islamisten kontrolliert wird. Al-Shabab warnt die WFP, weiterhin Hilfe zu liefern. Dadurch würden Lebensmittel ins Land gepumpt, was Bauern dazu bringe, die Landwirtschaft einzustellen oder nichts mehr zu investieren. Die WFP, deren Lieferungen die EU-Mission Atalanta vor allem sichern soll, geht davon aus, dass über 2 Millionen Menschen auf Nahrungsmittellieferungen angewiesen seien.

Die militärische EU-Operation hat es also mit einem völlig chaotischen Land zu tun, das kurz vor einem Bürgerkrieg steht. Sollten EU-Soldaten nicht nur Piraten auf See, sondern auch auf dem Land bekämpfen, werden sie direkt in diese unübersichtlichen Konflikte hineingezogen, während die Macht der Islamisten durch die Präsenz von westlichen Truppen auf dem Land oder auch nur durch Luftangriffe weiter verstärkt werden wird. Ob das die deutschen Abgeordneten, die in so großer Zahl der Marinemission zugestimmt haben, bedacht haben? Es würde auch schon genügen, wenn nun die US-Truppen, legitimiert durch die UN-Resolution, die Angriffe auf Ziele auf somalischen Festland verstärken, um die Situation noch gefährlicher zu machen und den Islamosten weiteren Auftrieb zu geben.

Al-Shabab betreibt im Gegensatz zu dem gestürzten Taliban-Regime nicht nur Webseiten, sondern hat auch noch einen YouTube-Channel, der bislang noch nicht gesperrt wurde. In Süd- und Zentralsomalia wird nun Schritt für Schritt mit der Ausbreitung der Islamisten die Scharia eingeführt. Erneut scheint es so zu sein, dass die Menschen die Scharia und die Islamisten akzeptieren, da gleichzeitig durch die Bekämpfung von Kriminalität Sicherheit und Ordnung in dem zerrissenen Land einkehrt. Genau das hatte auch das Taliban-Regime nach dem langen Bürgerkrieg in Afghanistan trotz der scharfen Unterdrückung begünstigt und treibt ihnen auch jetzt wieder Menschen zu.

Während es bei der Union der Islamischen Gerichte noch keine nachweisbaren Verbindungen zu al-Qaida gegeben hat, dürfte dies bei al-Shabab aber schon der Fall sein. Zumindest gibt es eine ideologische Nähe und setzte Sawahiri in seiner letzten Botschaft vor allem auf die Kämpfer im Irak und in Afghanistan. Man vermutet aber, dass führende Mitglieder der Organisation in Afghanistan von den Taliban ausgebildet wurden. Entstanden sein soll die Organisation aber vor allem durch die Bekämpfung von Banden und den Warlords, die Somalia und vor allem die Hauptstadt beherrscht haben.

In der Hafenstadt Kismayo, mit einer Million Einwohnern die drittgrößten Stadt, strebt al-Shahab, zusammen mit einer weiteren Miliz, den Aufbau einer vorbildlichen Ordnung nach der Scharia auf. Das soll die Menschen aus anderen Orten in Somalia dazu bewegen, al-Shahab zu sich einzuladen, um auch dort eine islamische Herrschaft einzurichten. Hauptargument ist, dass dadurch Ruhe hergestellt wird.

Abdullahi Yusuf, der Präsident der Übergangsregierung, bezeichnet al-Shahab als Bedrohung für das ganze Land. Er warnt, dass mit dem Abzug der äthiopischen Truppen Somalia in die Hände der islamischen Milizen fallen werde. Die äthiopische Regierung hat angekündigt, die Truppen bis Ende des Jahres abzuziehen.

Al-Shahab strebt nun nicht nur die Herrschaft über Somalia an. Abu Mansur, der Führer der Organisation, sagte al-Dschasira, man kämpfe gegen die Unterdrückung und den Kolonialismus. "Wir verteidigen uns gegen die Feinde, die uns angegriffen haben. Wenn wir dabei erfolgreich sein werden, werden wir den Kampf fortsetzen und die Unterdrückung überall auf der Erde beenden." Der Traum von der Weltherrschaft geht mit der Durchsetzung des Islam einher: "Wir werden die islamische Herrschaft von Alaska und Chile bis Südafrika, Japan, Russland, den Solomon-Inseln und bis nach Island durchsetzen. Seid gewarnt, wir werden kommen." Mansur erklärte, dass sich auch Ausländer ihrem Kampf angeschlossen hätten. Und er ruft alle Muslime auf der ganzen Welt dazu auf, nach Somalia zu kommen.