Achtung, Frau im Netz

Unterschiede zwischen weiblicher und männlicher Kommunikation im Internet

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Allen, die sich immer wieder mal gefragt haben, mit wem sie es bei ihren Chats im Netz eigentlich zu tun haben, und vor allem, ob sich hinter dem Nickname ein Männlein oder Weiblein versteckt, versprechen neue Studien über die verschiedenen Schreibstile der Verfasser/innen jetzt Aufschluss zu geben.

Die Chancen stehen recht gut, allein vom Lesen einer Nachricht auf das Geschlecht des Verfassers schließen zu können. Mehrere Studien belegen, dass Männer sich bei den Messages auf Antworten beschränken oder auch sonst in einer Weise reagieren, die den Dialog beendet, während Frauen sich viel dikussionsbereiter zeigen. In Chat Rooms sind sie auch mehr darauf eingestellt, zuzugeben, etwas nicht zu wissen und erkundigen sich nach der Meinung der anderen.

David Silver, Assistant Professor der School of Communications, Universität von Washington

Die Messages der Männer beschränken sich nach diesen Studien in der Regel auf Wesentliches wie Angaben über Richtigkeit oder Falschheit der gemachten Aussagen und bieten Problemlösungen an. Frauen tendieren hingegen dazu, die Konversation in Gang zu halten, geben eher zu, sich für ein Thema weniger zu interessieren oder diesbezüglich falsch zu liegen, und stellen viel mehr Fragen.

Eine Studie von Dr. Susan Herring, Linguistikexpertin an der Indiana Universität, belegt zudem, dass Männer schneller Behauptungen aufstellen, anderen widersprechen, sie beleidigen, beschimpfen oder sarkastische Bemerkungen machen. Im Gegensatz dazu geben Frauen ihre Meinung diplomatischer wider, formulieren in Frage stellend und höflicher.

Klingt alles erstmal ganz gut, scheint als positives Zeugnis für Frauen im Netz zu taugen, und ist mit Sicherheit auch nett gemeint. Es erinnert nur fatal an die so genannten guten Eigenschaften, die Frauen in einem anderen technischen bzw. Männer-Sachgebiet, beim Autofahren, zugestanden wurden: Rücksichtsvoller, fehlerfreier als Männer fahren sie angeblich, sind in sämtlichen Unfallstatistiken weniger präsent. Kurz gesagt: Achtung, Frau am Steuer. Und, ob beim Einparken, Linksabbiegen oder Beschleunigen auf Autobahnauffahrten - irgendwie nerven die. Frauen und Technik, das irritiert halt immer noch. Und, mal ehrlich, klingen Eigenschaften wie diskussionsbereit nicht auch eher nervig als konstruktiv?

Mitte der 90er-Jahre fühlten sich viele Frauen von den Angriffen und dem generell rauen Umgangston im Netz abgestoßen. In den Chat Rooms wurden sie oft beleidigt und "flamed". Früher waren diese Foren oft rassistisch, homophobisch und sexistisch. Also haben die Frauen angefangen, ihre eigenen Chat Rooms aufzubauen.

David Silver

Früher?? Eines jedenfalls ist heute klar: Die Präsenz der Frauen im Netz steigt stetig. Stand das Verhältnis von Frauen zu Männern vor fünf Jahren im Durchschnitt noch bei etwa 20 zu 80 Prozent, nähert es sich dieses Jahr in Europa und den USA zum ersten Mal ungefähr dem Gleichgewicht von 50 zu 50.

Im allgemeinen Umgang mit Technik scheinen Frauen wieder hereinholen zu wollen, was sie dank ihrer größeren Kommunikationsbereitschaft den Männern zeitmäßig hinterher sind: Ob beim Surfen im Netz oder bei Anschaffung eines technischen Geräts, Frauen suchen nach gezielter Information und praktischer Leistung in Gebieten, wo Männer in erster Linie möglichst viel Spaß haben wollen.

Müsste, sollte Frau versuchen, diesem ihrem Image entgegenzusteuern? Vielleicht, indem sie hin und wieder ein paar unvermittelte Beleidigungen in die Konversation einstreut? Oder lieber wieder raus aus dem aggressiven Glitsch des E-Mail Dschungels? Und wird Kommunikation - als eine der wenigen Ebenen, in denen die Männer den Frauen eine gewisse Vorherrschaft eingestehen (müssen), prekär - wenn die Jungs das sagen haben?

Der Report "Tech-Savvy" (Vgl. Kein Rechner auf der Venus) der "American Association of University Women" forschte über zwei Jahre lang im Schnittpunkt von Frauen und Informationstechnologie und stellte fest, dass vor allem junge Mädchen am Bereich Computerwissenschaft und Technik alarmierend wenig Interesse zeigen. Die Studie hält das gebrochene, ambivalente Verhältnis von Mädchen zu Technologie für teilweise gerechtfertigt. Zu Unrecht würde diese Abwehr nur mit Ängstlichkeit und Inkompetenz gleichgesetzt. Passivität, Redundanz, Brutalität und gleichzeitige Unsinnlichkeit seien Schwachpunkte der Branche. Durch defensive Haltung und offensive Kritik, (wie in "Tech-Savvy") würden Mädchen und Frauen auf diese Punkte hinweisen. Die Computerszene müsse integrativer, offener, vielseitiger werden und die Allgegenwart von Technologie im täglichen Leben transparent machen.