AfD = Antipatriotische Feinde Deutschlands?

Die Widersprüche zwischen den Positionen der AfD. Ein Kommentar

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Die wahrhafte Widerlegung muss in die Kraft des Gegners eingehen und sich in den Umkreis seiner Stärke stellen; ihn außerhalb seiner selbst anzugreifen und da Recht zu behalten, wo er nicht ist, fördert die Sache nicht.
Hegel)

Differenzen in (gewiss wichtigen) einzelnen Themen z. B. Flüchtlingspolitik oder Klimapolitik zwischen der AfD und den anderen Parteien sind bekannt. Vielen bleibt in Bezug auf die AfD jedoch unklar, ob und wie sie sich programmatisch und weltanschaulich von anderen Parteien wie der CDU und FDP unterscheidet.

Bereits bei der Frage nach der Verortung zwischen "rechts" und "liberal" wird es bei der AfD schwierig. Dieser Artikel skizziert versuchsweise eine "konsequente" "Linie" einer rechten patriotischen Position unabhängig von der AfD und rechten Kleinparteien. Eine solche Herangehensweise, die nicht von vorneherein die AfD vom Standpunkt anderer Bundestagsparteien beurteilt, ermöglicht es, immanente Widersprüche der Partei zu erkennen.

"Ein starkes Deutschland", "Mutter Natur" und Autorität

Wer als rechter Patriot für ein starkes Deutschland eintritt, sollte, möchte man meinen, eine "starke deutsche Wirtschaft" befürworten und sich freuen, dass Deutschland die ökonomisch und politisch stärkste Macht in Europa ist.

Wenn kleinere europäische Länder darüber klagen, "Deutschland" würde von der EU am meisten profitieren, dann dürfte der rechte deutsche Patriot dieses Klagelied befriedigt wahrnehmen. In seinen Ohren klingt es wie Lobgesang auf deutsche Hegemonie in Europa. "Was der Hitler nicht geschafft, schaffen wir mit EU-Kraft" - so ähnlich könnte die Parole lauten.

Für diesen rechten Patrioten erscheinen viele Rechte als Leute, die nicht um die Ecke denken können. Solche Möchtegern-Nationalisten würden nicht wahrnehmen, wie "die deutsche Wirtschaft" sich gegenwärtig in der EU und mit ihr durchsetzt.

Dumpfe Nationalisten würden in jedem Staatenbündnis (wie der EU) und in jeder Teilung der Souveränität nur den Verrat am Ideal und Prinzip des Nationalstaats sehen. Ihre Aufmerksamkeit gilt der Beschränkung der einzelnen Nation durch die EU und nicht dem Nutzen der EU für die in ihr wirtschaftlich dominierende Nation, die von ihr einen besonderen Gewinn hat.

Unser rechter deutscher Patriot dürfte erwarten, dass seine AfD-Kameraden sich für eine gesunde Natur in Deutschland einsetzen. Wenn sich junge Menschen - angeführt von einer nordischen Greta - dafür engagieren, dann sollte das Anlass zur Freude sein. Denn eines sei klar: Kein Vaterland ohne gesunde Mutter Erde. Zur nationalen Gesundheit gehört auch die des Volkskörpers.

Der rechte nationale Patriot wird von Singapur schwärmen: Der Staat setzt dort drakonisch mit Propaganda, Überwachung und Strafen durch, dass niemand etwas auf die Straßen wirft und sich der Impfpflicht entzieht. Das sollte Grund sein für rechte Begeisterung: Es gibt sie also doch noch: Länder, wo eines mal klar ist: Keine starke Nation ohne starken Staat!

Wie steht der rechte Patriot mit seinen eben beschriebenen politischen Positionen zur AfD?

Ihm missfällt, dass sie den Brexit begrüßt und damit die EU als eine die deutsche Wirtschaft bzw. wenigstens die in ihr dominanten Branchen fördernde Einrichtung schwächt. Das sei so, als ob man für "das Reich" eintritt und zugleich die Sezession einer von ihm beeinflussten Provinzen befürwortet.

Die AfD bekämpft das Engagement der Jugend für "Mutter Natur". Die AfD lehnt das Gesetz zur Impfpflicht gegen Masern ab und stellt sich damit praktisch auf die Seite der gefährlichen Schädlinge, die die Volksgesundheit angreifen.

Gauland bezeichnet den NS als "Vogelschiss der Geschichte", also als eine Lappalie. Das erträgt der rechte deutsche Patriot nicht. Vom Standpunkt des starken Deutschlands interessieren ihn sechs Millionen ermordete Juden ebenso wenig wie die in einem Vernichtungskrieg getöteten 14 Millionen ziviler Sowjetbürger. (In Deutschland waren 1.170.000 zivile Opfer des 2. Weltkrieges zu beklagen).

"Die Heimat"

Eine Herzensangelegenheit des rechten deutschen Patrioten bildet vielmehr die deutsche Heimat. Und so "geschichtsbewusst" ist er, dass er Deutschlands geographische Größe vor und nach Hitler zu vergleichen weiß. Uns für immer entrissen seien Ostpreußen (36.966 km2), Ober- und Niederschlesien (34.529km2), Pommern östlich der Oder (das historische Hinterpommern) sowie Stettin und die Odermündung (31.301 km2), der Regierungsbezirk Frankfurt der Provinz Brandenburg ohne seinen westlich von Oder und Neiße gelegenen Teil (11.329 km2).

Zusammen haben wir es mit Flächen im Umfang von ca. 114.000 km2 zu tun. Das geographisch größte Bundesland der heutigen Bundesrepublik Deutschland (Bayern) umfasst 70.500 km2. Schönste deutsche Provinzen im Umfang von 1,5 Bayern gehören nicht mehr "zu uns". Königsberg und Breslau - diese Perlen unter den deutschen Städten - verloren an den Russen und den Polen! Wie kann ein Gauland da vom "Vogelschiss der Geschichte" sprechen?!

Die Amputation Ostdeutschlands - und das liege nun wirklich nicht im "Mitteldeutschland" der früheren DDR - vom deutschen Volkskörper, das sei eine Wunde, die im nationalen Gefühl des rechten deutschen Patrioten nie verheilen kann, wird und soll. Der rechte deutsche Patriot erinnert sich an die Plakate mit der Aufschrift "3geteilt? Niemals!" des "Kuratoriums Unteilbares Deutschland".

Ein NS-Nostalgiker muss der rechte Patriot nicht sein: Hitler habe den Krieg unter Missachtung des militärischen Sachverstands und mit so grotesker Selbstüberschätzung geführt, dass nachher Deutschland nicht nur in Schutt und Asche lag, sondern zerstückelt war. Das kann unser rechter Patriot nicht entschuldigen.

Ein Staatsführer solle wissen, was er tut. Ja zum Risiko, nein zum Abenteurertum, mit dem man ohne Rücksicht auf die eigene Existenz Glücksritter spielt. Dem rechten deutschen Patriot ist Verantwortung wichtig. Ein Mann müsse die Folgen seines Tuns im voraus abschätzen können. Man handelt bewusst als Subjekt und verantwortet seine Taten. Wer beanspruche, als "Führer" zu gelten, könne sich nicht damit herausreden, andere seien schuld oder hätten ihn arglistig getäuscht.

Freiheitsrechte

Nicht nur bei der verpflichtenden Masern-Impfung hat die AfD von "einem wiederholten Angriff auf Freiheitsrechte der Bürger" gesprochen, so Ulrich Oehme, Bundestagsabgeordneter der AfD bei der Bundestagsdebatte dazu (Das Parlament, Nr. 43, 21.20, 2019, S. 6). Diese "Freiheitsrechte der Bürger" werden von der AfD auch gegen alle Maßnahmen ins Feld geführt, die unserem deutschen Wald, unserer deutschen Luft und Erde zugutekommen. Der rechte Patriot sieht darin die typisch liberale Religion des Privateigentümers.

Die AfD wirkt auf ihn wie der radikalisierte Verteidiger des Privatinteresses gegen alle staatlichen Maßgaben. Die AfD wolle - so beanstandet der rechte Patriot - nichts wissen von der Kritik an diesem "Typus des Menschen, der weder für eine Idee, noch für Gott lebt, sondern nur für den Zweck und den Nestegoismus" (Stefan George).

Der rechte Patriot ist modern genug, um sich die Parole "Du bist nichts, Dein Volk ist alles" zu verkneifen. Das Herumgenörgel der AfD an allen wirklichen und vermeintlichen staatlichen Eingriffen in die "Freiheitsrechte der Bürger" hält er für ein gefährliches Mobilisieren "niederster", geradezu anarchischer Instinkte. Eigentlich sollten die Opfer doch selbstverständlich sein, die die Individuen für "ihr Land" zu leisten haben.

Die ständige Motzerei der AfD gegen vermeintliche Einschränkungen von Freiheitsrechten der Individuen gilt dem rechten Patrioten als Zersetzung des Sinns für Staat und Nation. Als ob es nur noch Bäume gebe und keinen Wald! Dem rechten Patriot fährt eiskalter Schauder ins Herz, wenn er sich an den Schlachtruf von Margaret Thatcher erinnert, so etwas wie eine Gesellschaft gebe es gar nicht, sondern es gebe nur Individuen, deren Familien und Gruppen, die sich um Interessen bildeten.

Die AfD springt auf den Protest von Leuten auf, die erst dann etwas gegen Windräder haben, wenn sie in ihrer Nachbarschaft stehen. Bedient werden in solchem Protest Maximen wie: "Jeder ist sich selbst der Nächste. Jeder für sich, keiner für alle. Verschon mein Haus, zünd andere an (St. Florians-Prinzip)! Not in my backyard (‘Nimby’)! Hauptsache, es trifft nicht mich."

Wer wie die AfD gegen alle Einschränkungen der Freiheit des Individuums eintrete, könne gleich die Schulpflicht infrage stellen. Beatrix von Storch meint dann auch konsequent: "Ich halte es nicht für schlecht, wenn Eltern das Recht haben, die Kinder allein zu Hause zu unterrichten" (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 9.03.14).