AfD-nahe Stiftung: Würde deren Chefin heute noch die CDU verlassen?

Langjährige Unionspolitkerin und Vertriebenen-Funktionärin: Erika Steinbach im Jahr 2006. Foto: Thomas Künzl / CC-BY-SA-4.0

Die Desiderius-Erasmus-Stiftung soll keine Bundesmittel mehr erhalten. Kriterien dafür enthält ein aktueller Gesetzentwurf. Über Schwierigkeiten der inhaltlichen Abgrenzung.

Nachdem die AfD ihre Chancengleichheit bei der Stiftungsfinanzierung verletzt sah, hat im Februar das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die ihr nahe stehende Desiderius-Erasmus-Stiftung nur auf Grundlage eines Gesetzes mit klaren inhaltlichen Kriterien von der Förderung durch Bundesmittel ausgeschlossen werden darf.

Entsprechende Gelder sollen laut Haushaltsplanungen für 2024 wie gehabt an die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD-nah), die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FDP-nah), die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU-nah), die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU-nah), die Heinrich-Böll-Stiftung (Grünen-nah) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linken-nah) bekommen. Nicht aber die Desiderius-Erasmus-Stiftung.

Prognose-Entscheidung

Für diesen Ausschluss fehlte bisher eine gesetzliche Grundlage mit klaren Kriterien. Ein solcher Gesetzentwurf der Ampel-Parteien und der Unionsfraktion liegt nun laut einem ARD-Bericht vom Mittwoch vor. Am Freitag soll im Plenum des Bundestags darüber debattiert werden.

Eingeplant waren bereits im ersten Entwurf für das Haushaltsgesetz 2024 mehrere 100 Millionen Euro für politische Stiftungen – also solche, die jeweils von einer ihr nahestehenden Partei anerkannt sind. Wie viel Geld eine Stiftung bekommt, soll nach den Wahlergebnissen der ihr jeweiligen Partei bei den vergangenen vier Bundestagswahlen bemessen werden.

Dies könnte laut aktuellen Umfragen für die AfD einen beträchtlichen Zuwachs an Mitteln nach der nächsten Bundestagswahl bedeuten, wenn sie nicht nach klaren Kriterien von der Finanzierung ausgeschlossen wird.

Voraussetzung für eine Förderung soll nun aber auch sein, dass die Stiftung aktiv für "die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie für den Gedanken der Völkerverständigung" eintritt. Diesbezüglich soll eine Prognose-Entscheidung aufgrund der bisherigen Stiftungsarbeit und der Auswertung von Veröffentlichungen getroffen werden.

Das Problem dabei ist, dass sowohl die AfD als auch die Stiftung Fleisch vom Fleische des Systems sind. Das zeigt eine Personalie ganz besonders.

Erika Steinbach: eine deutsche Karriere

Die inzwischen 80-jährige Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stifung, Erika Steinbach, stand Jahrzehnte lang für die alte, geschichtsrevisionistische Stahlhelm-Fraktion der CDU, bevor sie 2017 deren Bundestagsfraktion verließ und 2018 in die AfD eintrat. Hintergrund war die aus ihrer Sicht zu flüchtlingsfreundliche Politik der damaligen Bundeskanzlerin und CDU-Frau Angela Merkel. Auch der Atomausstieg missfiel Steinbach.

Angesichts mancher Äußerungen des aktuellen CDU-Chefs Friedrich Merz in der Asyldebatte sowie zum Atomausstieg stellt sich aber die Frage, ob Steinbach heute noch austreten würde. Merz gehört inzwischen zu den treibenden Kräften, die das Asylrecht weiter einschränken wollen. Anleihen bei der AfD nahm er kürzlich mit der Aussage, Asylsuchende säßen hier "beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine".

Zum erst in diesem Jahr tatsächlich erfolgten Atomausstieg erklärte Merz, dies sei ein "schwarzer Tag für Deutschland".

Sowohl Merz als auch Steinbach gehörten übrigens 1997 zu den 138 Bundestagsabgeordneten, die Vergewaltigung in der Ehe nicht unter Strafe stellen wollten. Mit der Merz-CDU könnte sich die Ex-Vertriebenen-Funktionärin wohl in mancher Hinsicht besser arrangieren als mit Merkel.

AfD-Zoff um Verhältnis zu Russland

Innerhalb der AfD dürfte Steinbach auch eher zu denjenigen gehören, denen die Wodka-Diplomatie des Ko-Parteichefs Tino Chrupalla gegenüber Russland aus historischen Gründen große Bauchschmerzen bereitet. Als Chrupalla zum Jahrestag des Kriegsendes eine Feier in der russischen Botschaft besuchte, brodelte es innerhalb seiner Partei. Die Rotarmisten seien "keine Soldaten" gewesen, "das waren barbarische Mongolenstürme", hieß es in einem geleakten AfD-Gruppenchat.

Das kommt dem Geschichtsbild der "Heimatvertriebenen" um Steinbach durchaus nah. Als langjährige Präsidentin des "Bundes der Vertriebenen" war Steinbach 2014 von CDU-Spitzenpolitikern kritisiert worden, weil sie den russischen Präsidenten Wladimir Putin in einem Tweet mit Hitler und Stalin gleichgesetzt hatte.

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 stoßen solche Vergleiche im bürgerlichen Lager tendenziell auf mehr Verständnis – wer da Differenzierungen einfordert, kann sogar unter Anhängern von SPD und Grünen verdächtigt werden, Putin im Grunde sympathisch zu finden.

Insofern wäre es kaum erfolgversprechend, wenn die AfD beim Thema "Völkerverständigung" darauf verweisen würde, dass ihr Ko-Chef zumindest aktuell kein Interesse an einem Kriegskurs gegenüber Russland hat.