Agil unter Druck

Seite 2: Druck liegt bei den Beschäftigten

Die Arbeit wird in agilen Teams organisiert. Oftmals wird bei Projekten die Methode "Scrum" eingesetzt. Der Begriff stammt aus dem Rugby, bedeutet "Gedränge", und macht deutlich, welcher Druck auf die Projektmitglieder ausgeübt wird.

Einen vorgegebenen Weg, eine Beschreibung einzelner Projektschritte im Vorfeld gibt es nicht. Vielmehr soll sich das agile Team selbst organisieren. Für den ersten "Zwischenschritt", den "Sprint" werden 30 Tage Zeit gegeben. Es finden tägliche Scrum-Meetings statt, das maximal 15 Minuten dauern dürfen.

Um es auch tatsächlich kurzzuhalten, bleiben die Teammitglieder meistens stehen. Neben den einzelnen Teammitgliedern gibt es zwei wichtige Aufgaben, die als Rollen bezeichnet werden: Eine Product-Owner vertritt die Position des Kapital-Eigners, kürzt Budgets, wenn es sein muss und erhöht durch Fragen an die Teammitglieder den Druck. Formal hat er keine Weisungsbefugnis, kann sich aber jederzeit an die Vorgesetzten der Angestellten wenden.

Der Scrum-Master ist der Scrum-Manager. Er koordiniert, kann "Coachings" durchführen für Product-Owner oder das Team. Er soll die "Organisationskultur des Unternehmens" mit der Arbeit des agilen Teams harmonisieren, gibt dabei jedoch einzelnen Team-Mitgliedern keine Arbeitsanweisungen. Weder beurteilt er sie, noch hat er disziplinarische Möglichkeiten. Gleichzeitig haben die Teammitglieder aber disziplinarische Vorgesetzte, die sie in ihren Abteilungen weiter zeitlich einplanen.

Der Arbeitsprozess führt Teams in "iterative Schleifen", also in sich wiederholende Schritte. Beim iterativen Vorgehen werden Entwicklungstätigkeiten nach dem Prinzip der "kleinen Schritte" wiederholt. Ein agiles Projekt setzt sich aus einer Menge solcher Iterationen zusammen. So soll es erleichtert werden, von den Anforderungen ausgehend schnell Rückmeldungen aus dem Team zu erhalten und Zwischenergebnisse zu prüfen. Bei Mängeln oder sich ändernden Anforderungen kann dann zeitnah reagiert werden, so der Ansatz. Der Druck liegt bei den Beschäftigten.

Statt direkten Anweisungen, wie eine Arbeit auszuführen ist, organisieren die Beschäftigten im agilen Team Arbeitsabläufe selbst. Der Scrum Master ist für die Beseitigung von Hindernissen verantwortlich, er soll auch Streit im Team lösen, ohne dass er Weisungsbefugnis hat. "Da muss man so eine Mutter der Kompanie sein", schildert ein Betroffener.

Im Team wird gemeinsam über das Vorgehen gesprochen, es erfolgt ein Austausch über Probleme im Planungsprozess. Es herrscht für alle Beteiligte enormer Zeitdruck. Zusagen dem Kunden gegenüber wurden gemacht, das Management setzt Termine. In diesem Zusammenhang fällt oft der Begriff "Schätzdilemma": Wie kann ein Programmierer den Aufwand schätzen, den diese Aufgabe für ihn und ein Team bedeutet?

Dabei sind auch die Kosten zu schätzen, wie ein Beispiel aus der Praxis zeigt. Eine Herausforderung ist dabei auch die Vorgabe "Jede Schätzung muss nachvollziehbar und begründbar sein. Es sollten keine Schätzungen ohne Begründung akzeptiert werden". Ein Vorgehen nach agilen Methoden bedeutet: Entscheiden muss erst einmal der einzelne Beschäftigte, wie hoch er den Aufwand sieht. Enormer Druck entsteht, denn im Planungsstadium müssen die Programmierer ihre Arbeitsweise offenlegen.

Vor allem die Einschätzung, wie viel Zeit für einzelne Programmierschritte benötigt wird, setzt die Arbeitenden unter Zeitdruck.

Die Auswirkungen wurden im neuen iga-Report untersucht. "Überforderung durch Eigenverantwortung" warnt das Forscherteam. Gerade Gesundheitsthemen werden von den Beschäftigten bei agiler Arbeit vernachlässigt. Agilität führe "zu einer Verdichtung der Arbeit und bergen weitere gesundheitliche, vor allem psychische, Risiken". Wichtig sei die "Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen".

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