Agrarministerkonferenz: Dürfen Brachflächen für Getreideanbau genutzt werden?

Seite 3: "Grüne Vier - gegen den Hunger"

Zu einer gleichnamigen Aktion rief der Landwirt Wilhelm Kremer-Schillings, bekannt als Bauer Willi, auf, der jahrzehntelang am Niederrhein Zuckerrüben, Raps und Getreide kultivierte. Wir werden auf all unseren Ackerflächen illegal Lebensmittel anbauen, schreibt der Landwirt auf seinem Blog, und zwar so lange, bis sich die Ernährungssituation wieder normalisiert habe.

Eine EU-weite Flächenstilllegung würde bedeuten, dass die Ackerflächen von Österreich, Niederlanden, Belgien, Portugal und Luxemburg zusammen ab diesem Herbst nicht mehr genutzt werden dürfen, begründet der Landwirt die Aktion. Zusammen seien dies rund 4,22 Millionen Hektar. Der Importbedarf von Ägypten, Marokko, Tunesien, Algerien und Äthiopien betrage insgesamt pro Jahr 28,5 Millionen Tonnen, rechnet er vor. Mit dem Durchschnittsertrag der EU von 6,1 Tonnen je Hektar Weizen könnten auf dieser Fläche 25,7 Millionen Tonnen Weizen bereitgestellt werden.

Für jeden Hektar, auf dem "vorsätzlich und ungesetzlich für Lebensmittel und Nahrung" angebaut werde, soll ein Betrag in Höhe der zukünftigen EU-Einkommensgrundstützung von 150 Euro an das Konto des UN World Food Programme gespendet werden. Bauer Willi fordert bäuerliche Organisationen und Lebensmittel-Verarbeiter in ganz Europa dazu auf, sich an dieser Aktion zu beteiligen.

Landwirte, die an der Aktion teilnehmen, sollen eine grüne Vier aufstellen und ihre Fahrzeuge damit kennzeichnen - als äußeres Zeichen, dass sie die Flächenstilllegung zeitweise aussetzen wollen. Auch die Initiative "Land schafft Verbindung" ruft zu reger Beteiligung auf.

Ein Fünftel der Ernten in Deutschland dient der Ernährung

Glaubt man den Experten von Agrarheute, ernteten deutsche Bauern im Wirtschaftsjahr 2020/21 etwa 43,3 Millionen Tonnen Getreide. Davon wurden knapp 43 Millionen Tonnen verbraucht. Nur 8,6 Millionen Tonnen (rund 20 Prozent) dienten der menschlichen Ernährung. Knapp 25 Millionen Tonnen (58 Prozent der Ernte) fließen in die Futtertröge der Tiere.

Rund 3,8 Millionen Tonnen (knapp 9 Prozent) werden für die Energiegewinnung eingesetzt. Die Industrie verbraucht - einschließlich Braugerste und Stärke - etwa acht Prozent. Für Saatgut werden zwei Prozent benötigt.

Wichtigstes Nahrungsgetreide in Deutschland und weltweit ist der Weizen. So erzeugen deutsche Landwirte die zweitgrößte Menge in der EU - im vorigen Jahr waren dies rund 22 Millionen Tonnen. Nur sechs Millionen Tonnen gehen davon in die menschliche Ernährung.

Um als Backweizen Verwendung zu finden, muss der Weizen bestimmte Eigenschaften bezüglich Eiweißgehalts und Backeigenschaften aufweisen. Diese können nur über eine speziell abgestimmte Düngung erreicht werden, so die Experten von Agrarheute. Weil Mineraldünger derzeit knapp und teuer sei, werde in diesem Jahr wohl der Dünger nicht ausreichen, um die Eigenschaften des Brotweizen zu erhalten. Aus diesem Grund sei zu erwarten, dass noch mehr Weizen in die Futtertröge wandert.

Anstatt Stilllegungsflächen weiter zu bewirtschaften, müsse endlich die Tierhaltung umgebaut und die Zahlen der Nutztiere deutlich reduziert werden, fordert hingegen die Initiative "Aktion Agrar". Das dient auch dem Klimaschutz: Immerhin stammen drei Viertel der landwirtschaftlichen Klimagasemissionen aus der Tierhaltung.