Agrarsubventionen: Wer profitiert wirklich?
Im Osten kaufen branchenfremde Investoren große Ländereien. Kleinere Betriebe leiden. Warum die Verteilung der Flächenprämien ungerecht ist.
Die Absenkung des Steuernachlasses bei Agrardiesel soll nun erst ab März greifen und dann auch nur schrittweise. So entschied die Bundesregierung, nachdem seit Anfang der Woche landauf, landab deutsche Bauern aus Wut über den Wegfall der Subventionen in langen Treckerkolonnen die Straßen blockierten.
Die Kürzung der Agrardiesel-Beihilfen belastet die Betriebe unterschiedlich, doch für die meisten seien sie verschmerzbar, weiß Alfons Balmann, Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Halle. Laut Bundesagrarministerium büßt ein Durchschnittsbetrieb, der rund 13.000 Liter Diesel im Jahr tankt, in diesem Jahr gut tausend Euro an staatlicher Diesel-Hilfe ein.
Die Belastung der Betriebe durch Kürzungen der Agrardiesel-Beihilfen
Ein Ackerbaubetrieb verbraucht im Schnitt mehr als dreimal so viel Sprit wie ein Obstbauer. Grundsätzlich stärker belastet würden kleinere Betriebe, weil deren Spritkostenanteil höher ist.
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Die Agrardiesel-Subventionen seien weder für die Bundesregierung noch für die meisten Landwirte viel Geld, glaubt auch Christian Henning von der Universität Kiel. Das größere Problem liege im Trend zum Wachsen und Weichen: Die durchschnittliche Betriebsgröße von aktuell 68 Hektar reiche nicht mehr aus, um unter den gegebenen Rahmenbedingungen dauerhaft solide zu wirtschaften.
Dafür braucht es heute 200 Hektar. Für viele Bauern lohne es sich nicht, den Hof dauerhaft weiterzuführen, erklärt der Agrarökonom in einem Interview.
Die Bedeutung von Subventionen für die Bundesregierung und Landwirte
Fast jeder dritte Euro aus dem mehrjährigen EU-Etat fließt in die Landwirtschaft, über sieben Jahre sind das insgesamt 387 Milliarden Euro. Deutsche Landwirte erhalten davon sechs Milliarden Euro pro Jahr – größtenteils als Direktzahlungen.
Im vergangenen Jahr wurden im Durchschnitt 156 Euro pro Hektar Flächenprämien ausgezahlt. Dazu kommen spezielle Zahlungen für kleine Betriebe oder Junglandwirte sowie sogenannte gekoppelte Prämien für Mutterkühe, Schafe und Ziegen.
Vom Bund gibt es zusätzlich 2,4 Milliarden Euro pro Jahr. Zuletzt lag der Gewinn pro Landwirtschaftsbetrieb im Schnitt bei 115.400 Euro. Mehr als 40 Prozent davon machten landwirtschaftliche Subventionen aus.
Der Einfluss von Fördermitteln auf das Einkommen der Landwirte
Die Fördergelder machen je nach Struktur eines Haupterwerbsbetriebs zwischen 41 und 62 Prozent des landwirtschaftlichen Einkommens aus. Bei sogenannten Nebenerwerbsbetrieben, die eine zweite Einkommensquelle außerhalb der Landwirtschaft haben, liegt der Anteil der Fördermittel am landwirtschaftlichen Einkommen noch deutlich höher.
Das durchschnittliche Betriebseinkommen liegt zwar bei rund 46.000 Euro pro Familienarbeitskraft. Doch das allein sagt wenig aus. Denn das untere Viertel der landwirtschaftlichen Betriebe, die meist im Nebenerwerb geführt werden, erwirtschaftet weniger als 14.000 Euro, während das obere Viertel mehr als 63.000 Euro pro Familienarbeitskraft verdient.
Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe und ihrer Flächen
Laut Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung beschäftigten die 263.500 landwirtschaftlichen Betriebe im Jahr 2020 rund eine Million Menschen. Jedes Jahr geben 2,5 bis drei Prozent der Betriebe auf. Im Rahmen eines tiefgreifenden Strukturwandels hat sich die Zahl der Betriebe in den vergangenen 25 Jahren etwa halbiert.
Auch die landwirtschaftlichen Flächen reduzierten sich – wenn auch in geringerem Umfang – im selben Zeitraum von rund 17 Millionen auf 16,6 Millionen Hektar. Zwar stieg auch der Anteil des Öko-Landbaus auf knapp zehn Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Doch setzt sich der Trend zu größeren Betrieben mit intensiverer Bewirtschaftung der Flächen insgesamt weiter fort.
Agrarholdings kaufen im Osten riesige Flächen
Von den insgesamt 262.800 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland waren nach einer Zählung von 2020 knapp vier Prozent oder 10.200 juristische Person oder Personengesellschaften. Von dieser Gruppe gehörten wiederum 3.700 Betriebe einer Unternehmensgruppe an.
Die sogenannten Agrarholdings bewirtschaften eine Landwirtschaftsfläche von 1,84 Millionen Hektar – mehr als elf Prozent der gesamten Agrarfläche. Anfang 2017 waren in den östlichen Bundesländern bei jedem dritten Agrarbetrieb ortsfremde Investoren die Mehrheitseigentümer – oft waren dies Milliardäre oder Multimillionäre aus Industrie und Handel.
Am höchsten war der Anteil in Mecklenburg-Vorpommern mit mehr als 40 Prozent. Etwa die KTG-Agrar, die in Mecklenburg und Brandenburg zeitweise bis 45.000 Hektar Land bewirtschaftete.
Auch ein Pharmakonzern ist unter den Investoren
Große Investoren mit gigantischen Flächen sind auch das Pharma-Unternehmen Merkle, Remondis-Gründer Rethmann, Heiztechnik-Hersteller Martin Viessman, Möbelfabrikant Steinhoff, der Großindustrielle Silvius Dornier oder die Eigentümer des Logistik-Unternehmens Fiege. Je nach Bundesland haben die Holdings insgesamt zwischen 230.000 Hektar und knapp 300.000 Hektar "unter dem Pflug".
Typischerweise stammt das Geld, mit dem die Holdings zusammengekauft werden, aus völlig anderen Quellen als aus Landwirtschaft.
Größte Unternehmen kassieren die meisten Subventionen
Egal, ob Versicherungs-, Energie-, Immobilienkonzerne oder Möbelhäuser – wer Ackerland besitzt und bewirtschaften lässt, kassiert auch Flächenprämien – oft in Millionenhöhe. Laut einer Übersicht zu den Strukturen großer Agrarholdings in Deutschland ist die DAH Holding mit Hauptsitz im brandenburgischen Oranienburg mit über 36 landwirtschaftlichen Tochterunternehmen die größte deutsche Unternehmensgruppe.
Allein an die DAH flossen 2019 rund 5,36 Millionen Euro an EU-Agrarzahlungen. Auf Platz Zwei rangierte die in Winsen an der Aller ansässige Lindhorst-Gruppe mit 19 Tochterunternehmen. Diese kassierte Direktzahlungen im Umfang von etwa 3,38 Millionen Euro.
Auf mehr als drei Millionen Euro kamen die sieben landwirtschaftlichen Tochterunternehmen der Lukas-Stiftung der Familie Albrecht, die gemeinsam mit zwei weiteren Familienstiftungen 100 Prozent der Anteile an Aldi Nord.
Drei Millionen bekam auch die Steinhoff-Gruppe in Westerstede mit 23 Tochterunternehmen überwiesen. Die Liste könnte fortgesetzt werden.
Die Rolle von Investoren in der Landwirtschaft und deren Auswirkungen
Die Hälfte der Fläche ging an landwirtschaftsnahe Investoren aus dem Westen. Die andere Hälfte wurde von Investoren aus anderen Wirtschaftsbereichen aufgekauft. Während sich die Preise im Westen etwa verdoppelten, haben sie sich im Osten inzwischen verdreifacht.
Der mecklenburgische Bauernpräsident Detlef Kurrek macht auch die niedrigen Zinsen der EZB für die Preisentwicklung verantwortlich. Konzerne legen billiges Geld an und kaufen den Markt leer. Es könne nicht sein, dass ortsansässige Bauern mit fremden Großkonzernen um viel Land konkurrieren. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, fordert er eindeutige Regelungen.
Entscheidend sei, dass beim Besitzwechsel der Betrieb erhalten bleibt, dass regional produziert werde, die Betriebe breit aufgestellt sind und sich im Dorf engagieren.
Die Notwendigkeit einer nachhaltigen Agrarpolitik
Was fehlt, sind effiziente Strategien zur Reduzierung der Ackergifte, Bewahrung der Artenvielfalt und Landschaften, aber auch auf dem Weg zur Klimaneutralität. Denn die Landwirtschaft ist immerhin für ein Zehntel des EU-weiten Ausstoßes klimaschädlicher Treibhausgase verantwortlich.
Zwar werden diejenigen Betriebe gefördert, die die sogenannten Öko-Regelungen erfüllen, etwa durch das Anlegen von Blühflächen und Altgrasstreifen oder durch Verzicht auf Pflanzenschutzmittel. Doch wurden im letzten Jahr fast 40 Prozent des Budgets dafür nicht ausgeschöpft. Dafür flossen die Mittel in bereits bestehende Maßnahmen.
Die Bedeutung von Ökosystemdienstleistungen
Die Politik müsse agrarpolitische Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine effektive Transformation zu einer nachhaltigen Landwirtschaft ermöglichen, fordert Agrarwissenschaftler Christian Henning von der Uni Kiel.
Dementsprechend müssen die "Ökosystemleistungen" gefördert werden – neben Getreide und Milch vorwiegend Biodiversität, Wasser- und Klimaschutz, denn diese können über den Markt nicht hinreichend honoriert werden. Nur über gezielte Steuerungsmechanismen ließen sich etwa Treibhausgasemissionen und Nitratbelastung senken.
Die Bedeutung von Ökosystemdienstleistungen in der Agrarpolitik
Neben Steuern, Subventionen und Umweltförderprogrammen sieht er ein weiteres Instrument in handelbaren Umweltzertifikaten (ähnlich wie bei CO2-Zertifikaten).