Ahmadinedschad als Schwein
Iran: Subversiver Spaß und wütende Proteste
Vielleicht waren die Verantwortlichen der Tehran Times noch ganz geblendet von der Tatsache, dass sich auch im Westen Gleichgesinnte finden lassen, die Veranstaltungen wie die Holocaust-Leugner-Konferenz in Iran unterstützen. Jedenfalls hat man die Anzeige einer Gruppe namens "Danes for World Peace" mit dem Porträt Ahmadinedschads veröffentlicht. Erst zu spät stellte sich heraus, dass man sich hat narren lassen.
Unter dem Porträt des Präsidenten waren Parolen zu lesen, die auf den ersten Blick Sympathie mit populistischen Kernthemen Ahmadinedschads bekunden: "Unterstützt seinen Kampf gegen Bush", "Iran hat das Recht, Atomenergie zu produzieren". Die Anfangsbuchstaben der Sätze enthielten aber, eine andere, "geheime Botschaft": von oben nach unten gelesen, ergeben sie aber das Wort "SWINE" - das neueste Werk der dänischen Künstlergruppe Surrend, die schon mit manchen bekannten politischen Führern ihre subversiven Späße trieb.
Während die Zeitung davon ausging, dass die Dänen Wiedergutmachung für den Karikaturenstreit leisten wollten, hatte Surrend anderes im Sinn:
Wir taten es, um eine Reaktion hervorzurufen. Es gibt in Iran eine junge Generation, die mehr Freiheiten ("liberalization") will. Ich hoffe, das inspiriert sie. Das geht nicht gegen das Land oder das Volk, es geht gegen die Person an der Macht.
Jan Egesborg
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Die jugendliche Zielgruppe der Surrend-Aktion bereitet dem Präsidenten ohnehin einiges Ungemach. So kursiert derzeit ein Film, der offensichtlich mit einer Handykamera aufgenommen wurde. Er bestätigt, was letzte Woche von einigen westlichen Medien berichtet wurde: den erstaunlich radikalen Protest von Studenten gegen Ahmadinedschad, welcher am 12. Dezember seine Anwesenheit bei der Holocaust-Leugner-Konferenz unterbrach, um an der Teheraner Universität eine Rede zu halten.
Während seiner Rede skandieren Studenten den Ruf: "Tod dem Präsidenten" und zünden Fotos mit seinem Porträt an. Zunächst wenig beachtet, wird dem Ereignis nach dem schlechten Abschneiden Ahmadinedschads bei den Wahlen am vergangenen Wochenende von der westlichen Presse nun größere Aufmerksamkeit geschenkt. Die darin kaum verhohlene Hoffnung: Formiert sich unter den iranischen Studenten, die für ihre Proteste berühmt sind, eine Widerstandsbewegung gegen Ahmadinedschad?
Die Studentenbewegung, die 1979 die Besetzung der Amerikanischen Botschaft von derselben Universität, Amir Kabir, plante, wacht wieder aus ihrem Schlummer auf und könnte sogar die Speerspitze eines weitverbreiteten Widerstands gegen Herrn Ahmadinedschad sein. Dieses Mal wären die Katalysatoren akademische und persönliche Freiheit.
Nazila Fathi, New York Times
Man kann davon ausgehen, dass solche Impulse in den USA nicht ungern registriert werden, was wiederum negative Auswirkungen für iranische Studenten und Intellektuelle haben kann - sogar im Exil. "Westoxication" ist das Schmähwort, mit dem die Führung in Iran Oppositionelle gerne belegt. Welche Auswirkungen dies hat, welche Hintergründe, kann man bei dem iranischen Exilblog S'can Iranic erfahren.
Doch unabhängig von der politischen Großwetterlage, die von der Konfrontation zwischen Iran und den USA erheblich bestimmt wird: Es gibt auch, ohne in die jeweilige Lesart vom "Regime Change" zu verfallen, genug Anlaß für die Studenten, ihr Unbehagen an Ahmadinedschad offen zu zeigen. Zum einen aus traditionellen Gründen: Sind doch die Basidschi-Kräfte, denen sich der Präsident eng verbunden fühlt und deren Anhängerschaft ein bedeutender Faktor seiner Macht ist, unter Studenten wegen ihrer Brutalität seit Jahren gefürchtet und verhasst. Allein dies dürfte ihm von Anfang an Mißtrauen eingetragen haben. Dazu kommt, dass Ahmadinedschad seit einiger Zeit versucht, die Universitäten in seinem Sinne zu kontrollieren (vgl. "Weg mit den liberalen und säkularen Professoren") und dabei immer massiver vorgeht.
Zweite Kulturrevolution an iranischen Universitäten?
Die BBC spricht von einer zweiten Kulturrevolution an iranischen Universitäten. Der Druck sei angestiegen, wird der Studentenaktivist Ali Nikoo Nesbati zitiert. Man wolle den Studenten Angst einjagen und die Botschaft deutlich machen: "wenn ihr politisch aktiv seid, werdet ihr künftig Probleme haben".
181 Studenten sollen laut BBC entsprechende Warnungen in Briefform erhalten haben, 47 studentische Zeitschriften und 28 Studentenorganisationen sollen geschlossen bzw. verboten worden sein. Wegen der Einsetzung eines Geistlichen als Direktor der Teheraner Universität soll es zu mehrfachen Protesten mit größerer Beteiligung gekommen sein, was von der Führung heruntergespielt, aber von Handy-Filmen, die von den Protesten gemacht wurden, bestätigt wird.
Auch Ahmadinedschad spielt den Protest der Studenten gegen seinen Auftritt herunter. Er habe sich gefreut, dass "eine kleine Gruppe innerhalb einer deutlich dominanten Mehrheit keine Angst gehabt hat, ihn zu beleidigen". Er soll die Studenten zu einem klärenden Gespräch eingeladen haben. Die jedoch lehnten ab. Nach Informationen der New York Times fühlten sie sich in ihrer Intelligenz beleidigt, weil der Präsident zu ihnen "in der gleichen Sprache redete, die er auch bei seinen Provinzbesuchen in abgelegenen Dörfern verwendet." Teheran ist ein anderes Pflaster, lernt man daraus. Aber es sei hier daran erinnert, dass sich viele Journalisten und Blogger ziemlich getäuscht hatten, als sie nur die Reformbewegung in Teheran im Auge hatte und völlig überrascht waren, dass Ahmadinedschad erdrutschmäßig die Präsidentschaftswahl gewann (vgl. Wenn die Revolution zweimal klingelt...).
Trotzdem kommt Hassan Zarezadeh Ardeshir in einer lesenswerten geschichtlichen Analyse der iranischen Studentenorganisationen auf Rooz-online zum Ergebnis, dass sich etwas tut: Viele Studentenbewegungen würden radikalisiert, wie der Vorfall an der Amir Kabir Universität in Teheran gezeigt habe.
Die Studentengruppen werden in Iran von einem Tag auf den anderen mit immer strengeren Formen der Einschüchterung konfrontiert, aber die Bemühungen der Regierung, die Aktivitäten der Studenten zu beschneiden, evozieren einen Rückschlag... Die Studentenaktivisten lernen allmählich, wie sie unabhängig von allen politischen Fraktionen werden. Sie betreten die Bühne mit Forderungen nach mehr Freiheit, Gerechtigkeit und dem Schutz der Menschenrechte.